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So kann’s gehen: Geschenke von der Stange

Immer wieder sonntagsfragen SieElisabeth Binder.

Nach zehnjähriger Tätigkeit habe ich meine Arbeitsstelle gewechselt. Zum Abschied bekam ich von der Sekretärin das gleiche kleine Geschenk, das eine Kollegin für ein einziges Projekt erhielt. Dieses Präsent lagert in mehrfacher Ausfertigung in einem Schrank. Darf man ein Geschenk dieser Art ablehnen? Jedenfalls habe ich mich nicht bei der Chefin bedankt.

Gut, dass Sie eine neue Arbeitsstelle gefunden haben. Sehr stilvoll scheint es an der alten nicht zugegangen zu sein. Die Abwesenheit von Stil aber wirkt sich mitunter auch aufs Betriebsklima aus. Die Chefin und ihre Sekretärin machen es sich jedenfalls sehr einfach. Standardgeschenke im Dutzend einzukaufen und sie dann so zu lagern, dass die Mitarbeiter schon wissen, was sie im Falle einer besonderen Anerkennung erwartet, offenbart eine ziemliche Lustlosigkeit im menschlichen Miteinander. Mit einem Geschenk will man schließlich Wertschätzung ausdrücken und also möglichst nicht den Eindruck erwecken, dass man gerade unter einer lästigen Pflichterfüllung ächzt. Dann wäre es vielleicht besser, wenn man auf den obligatorischen Blumenstrauß zurückgreift, der muss wenigstens frisch angeschafft werden und variiert je nach Jahreszeit. Kann aber gut sein, dass der Ihrer sparsamen Ex-Chefin schon zu teuer ist.

Ein so gleichgültiges Geschenk abzulehnen, wäre ein Affront, den man sich am letzten Tag auch sparen kann. Sich dafür nicht eigens zu bedanken, ist aber ein Schritt in die richtige Richtung. So haben Sie Heuchelei vermieden und die Damen jedenfalls nicht in ihrer Geschenk-Praxis bestärkt. Hätten Sie Freude vorgegeben, dann wären sie vielleicht noch stolz gewesen, Ihnen überhaupt was geschenkt zu haben. Eine kleine Bemerkung, dass Sie die Gabe als Standardgeschenk für alle möglichen und unmöglichen Gelegenheiten entlarvt haben, wäre durchaus angebracht gewesen. Damit hätten Sie vielleicht eine Denkanregung gegeben und mittelfristig das gute Erbe hinterlassen, dass man sich um etwas mehr Originalität und Individualität beim Schenken bemüht.

Bitte schicken Sie Ihre Fragen mit der Post (Der Tagesspiegel, "Immer wieder sonntags", 10876 Berlin) oder mailen Sie diese an: meinefrage@tagesspiegel.de

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