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So kann’s gehen: Nachbarn googeln?

Immer wieder sonntagsfragen SieElisabeth Binder

Kürzlich bin ich umgezogen und habe in einer freien Minute alle neuen Nachbarn gegoogelt. Auch beruflich habe ich öfter mit Menschen zu tun, die ich vorher googele. Kann ich das im persönlichen Gespräch erwähnen? Schließlich möchte ich niemandem hinterherspionieren.

Sie sind ein Mensch, der gern gut vorbereitet an eine Situation herangeht. Das ist zunächst einmal positiv. Aber mit den im Internet erbeuteten Informationen formt sich in ihrem Kopf auch rasch ein festes Bild von dem neuen Nachbarn oder dem Geschäftspartner, das unter Umständen gar nicht der Wirklichkeit entspricht. Es ist immer gut, einem neuen Menschen mit möglichst großer Offenheit zu begegnen. Diese Einsicht wird Sie nicht vom Googeln abhalten, aber sie könnte dazu beitragen, dass Sie differenzierter mit den Informationen umgehen. Ich würde eher davon abraten, den Gesprächspartner mit der digitalen Vorbereitung des Gesprächs zu konfrontieren. Sie sind gar nicht verpflichtet, sofort einzugestehen, dass sie aus dem Internet schon eine ganze Menge über ihn wissen. Man kann auch nicht von Spionage sprechen, wenn man im Netz einen Namen in die Suchmaschine eingibt. Das ist alles frei zugänglich, und es weiß auch jeder, dass es so ist. Wenn Sie direkt gefragt werden, ob Sie schon mal nachgeschaut haben, dann sollten Sie das unbedingt zugeben, wenn es so ist. Alles andere wäre tatsächlich unredlich. Aber wenn Sie nicht gefragt werden, sollten Sie abwarten, was für Überraschungen Sie womöglich erleben.

Vielleicht sind dem Nachbarn ganz andere Dinge wichtig als solche, die das Internet über ihn gespeichert hat. Davon würden Sie sobald nicht erfahren, wenn Sie ihn in eine Rechtfertigungsposition drängen, in der er das Gefühl hat, sich erklären zu müssen. Es soll übrigens immer noch Menschen geben, die sich selber nicht googeln. Wenn man ohne Not einen Informationsvorsprung outet, fühlt der andere sich vielleicht in die Ecke gedrängt und reagiert mit Antipathie.

Bitte schicken Sie Ihre Fragen mit der Post (Der Tagesspiegel, „Immer wieder sonntags“, 10876 Berlin) oder mailen Sie diese an:

meinefrage@tagesspiegel.de

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