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Berlin: So klingt die Berliner Luft

Bei der Luftgitarren-Meisterschaft siegt der Kandidat mit der kürzesten Anlaufzeit

Ihre Bühne ist klein, es ist stickig, es ist viel zu voll, das Publikum ungeduldig. Hell-Sinkimuss alsErster raus, er torkelt, noch ein Schluck Bier, dann 60 Sekunden AC/DC. Hell-Sinki ist ein Junge mit langer Beatles-Frisur und Nirvana-T-Shirt, seine Freunde sagen, er sei so schüchtern, deshalb das Bier. Er rudert mit den Armen und springt in die Luft, er rennt hin und her, fällt am Ende von der Bühne. Die 60 Sekunden sind vorbei, das Publikum johlt, die Jury zeigt 5,7, 5,5 und 5,4.

13 Männer und eine Frau wollten am Samstagabend in der „Knorre“ in Friedrichshain Deutscher Meister im Luftgitarrespielen werden. 13 haben sich vorher angemeldet bei der German Airguitar Federation, einer erst am Abend an der Kasse: Ingo Schulz, beiges Karohemd, helle Jeans, 33 Jahre alt ist er und kaufmännischer Angestellter. Ein Gag, nur so. Er hat sich In-Groove genannt und auch AC/DC gewünscht. Als er am Ende gewinnt und den großen Gutschein für ein Flugticket zur Weltmeisterschaft nach Finnland überreicht bekommt, sind hunderte Fotos von ihm gemacht worden, während er so tut, als spiele er mit der Zunge Gitarre. Da ist er klatschnass geschwitzt, außer Atem und ziemlich überrascht. Er muss dann Interviews geben und sich noch mehr fotografieren lassen.

Die Kandidaten haben sich nichts geschenkt. Sie sind hin- und hergerannt, gesprungen, haben Vorwärts- und Rückwärtsrollen gemacht. Echodrive, Typ Geschichtslehrer, macht mit langem Arm und Storchenschritt ein altes Pink-Floyd- Lied nach, Count Bathery, ein kleiner dürrer Metal-Mann mit Metallschnallenstiefeln, lässt seine langen Haare kreiseln, zu Philipp von den Knesebeck schreit einer aus dem Publikum „Vollidiot“, ein junger Mann aus Hannover muss hören: „Deine Eltern sind Geschwister.“ Der Kandidat aus Japan, Hiro Habibi, graue Hose mit Bügelfalte, akkurates Hemd mit Schlips, dreht sich auf dem Rücken und rockt die Luftgitarre, das Publikum liebt ihn und als die Jury ihn abblitzen lässt, wird sie beschimpft. Das Publikum ist rau und laut.

Und Fredericke van Meer von der German Airguitar Federation ist überwältigt. Ein toller Erfolg, 100 Leute hätten sie nicht mehr reingelassen, nächstes Mal im größeren Saal, alles super Kandidaten, und eine echte Chance auf den WM-Titel. Nur die Konkurrentin aus den USA, sagt sie, sei noch besser, die werfe ein Röckchen weg. Die Weltmeisterschaft ist vom 25. bis zum 27. August im finnischen Oulu. Frederike van Meer wird Ingo Schulz begleiten, sie wird ihm vorher das Video der letzten Weltmeisterschaft zeigen. Ingo Schulz sagt, dass er nicht kneifen wird.

So werden Stars geboren. Zur richtigen Zeit durch die richtige Tür gehen. Kann auch nicht jeder.

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