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Berlin: So kommt man sich näher

Von Annette Kögel Im Osten? Da tragen alle Jugendlichen Schlaghosen, hören nichts als Techno-Musik, sind vornehmlich Nazis und wohnen in maroden Häusern.

Von Annette Kögel

Im Osten? Da tragen alle Jugendlichen Schlaghosen, hören nichts als Techno-Musik, sind vornehmlich Nazis und wohnen in maroden Häusern. Die Liste der Vorurteile ist lang, da haben die Schüler der Klasse 9d vom Tegeler Humboldt-Gymnasium schnell ein paar Klischees parat – auch noch über zwölf Jahre nach dem Fall der Mauer. Die Jugendlichen aus ihrer Partnerklasse 9 LE/22 in Eisenach haben aber auch einige zum vermeintlichen „Wessi“-Prototypen zu bieten. Vorurteile abbauen und sich von Schubladendenken verabschieden – dabei will der Tagesspiegel jetzt mit seinem neuen Zeitungsprojekt „Jugend recherchiert Umwelt - 100 Schulen im Dialog“ helfen. Gemeinsam mit dem medienpädagogischen Izop-Institut aus Aachen, der Deutschen Bundesstiftung Umwelt und dem Sponsor Deutsche Bahn betreut das Blatt während der dreijährigen Projektzeit die drei Berliner Schulklassen – und ihre Partnerklassen in Thüringen. Initiator des deutsch-deutschen Klassentreffens ist Bundespräsident Johannes Rau.

„Ich finde das toll, dass Rau das eingefädelt hat“, sagt Joachim Kranz, Projektlehrer an der Humboldt-Schule. Neben dem Tegeler Gymnasium beteiligen sich die Klassen 8a des Schöneberger Rückert-Gymnasiums (Partner: 9a, Edith-Stein-Schule, Erfurt) und die 10/2 des Andreas-Gymnasiums in Friedrichshain-Kreuzberg (Partnerschule Gymnasium Gleichense, Ohrdruf). Während gegenseitiger Besuche können sich die Schüler näher kennen lernen, Distanz überwinden. Die 9d vom Tegeler Humboldt-Gymnasium und ihr Lehrer Hans-Jürgen Werner sind noch bis heute zum ersten Mal zu Gast in Eisenach. Gewohnt wird „bei den Schülern zu Hause“, sagt Torben Züfle, 15. Im Gepäck haben die Berliner ihre „Leitfähigkeitsprüfer“ – im Wahlpflichtfach „Technik und Natur (TUN)“ selbst gebaut. „Damit haben wir den Salzgehalt der Werra untersucht“, sagt der 15-jährige Fabian Hübner. Umwelterkenntnisse nehmen sie mit – von Vorurteilen haben sie sich bereits verabschiedet. „Ich habe überhaupt gar keine mehr“, sagt Torben, „alles, was ich dachte, hat sich nicht bestätigt.“ So schnell geht das manchmal. Engagement über den normalen Schulalltag hinaus ist für die Tegeler Humboldt-Schüler nichts Neues. Erst kürzlich standen im Unterricht neben den aktuellen Bio-Skandalen auch Farb- und Konservierungsstoffe in Lebensmitteln auf dem Stundenplan. „Da haben die Jugendlichen Konservierungsstoffe im Wein und Farbstoffe im Lachs nachgewiesen“, sagt Lehrer Joachim Kranz. Und Gummibärchen selbst hergestellt und eingefärbt – praktisches Lernen. So was vergisst man nicht.

Für eine Ausstellung ihrer Arbeiten konnte die Humboldt-Bibliothek gewonnen werden. Natürlich begibt sdich die Schuler immer wieder auf die Spuren der nsgeber. So reiste eine Gruppe kürzlich zur Vulkanexpedition nach La Palma mit Aktivitäten von acht bis acht – „mit so wissbegierigen und fleißigen Jugendlichen war ich schon lange nicht unterwegs“, lobt Kranz seine Schützlinge. Doch nun sollen Humboldt-Schüler während des Projekts zunächst Deutschland näher kennen lernen. Der Tagesspiegel wird auch über die anderen deutsch-deutschen Zusammenkünfte berichten – wie die Partnerzeitung „Thüringer Allgemeine“.

Vor dem Besuch in Eisenach schickten sich die Schüler „Adressen und Telefonnummern per Handy-SMS“, sagt Torben. Klassenkameradin Johanna Düvel, 15, hat schon öfter zu hören bekommen, „um die Wiedervereinigung können sich doch kommende Generationen kümmern“ – doch die 9d will damit nicht warten. Ein spannendes Projektjahr liegt vor ihr – und vor den Lesern dieser Zeitung. Torben ist in einem Punkt schon schlauer. Ob die Eisenacher den „Hacky Sack“, dasJonglierfußball-Säckchen kennen? Kennen sie – auch im Osten gibt es Neues.

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