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Berlin: So schön kann doch ein Mann sein

Designerin Carola Plöchinger hat sich auf maskuline Mode spezialisiert Sie gehört zu den Talenten aus Berlin. Heute hat sie ihren großen Auftritt

Carola Plöchinger mag Männer. Genau genommen mag sie Männerkörper. Deshalb liegt der Modedesignerin auch wenig daran, sie vollständig zu verhüllen. Also wird sie heute Abend einem Model eine große Decke um die Schultern legen und es nur mit einer Unterhose bekleidet über den Laufsteg des Bärensaals im Alten Stadthaus schicken. Auf der Hose steht „Disziplin und Fleiß“. Auch das Modell „Unschuld“, ein T-Shirt im zurückhaltenden Ton „Fleischfarben“ lässt mit einem V-Ausschnitt bis zum Bauchnabel viel Haut sehen.

„Ich will nicht die x-te Kollektion entwerfen, über die Männer nicht nachdenken müssen.“ Natürlich erwartet die Designerin nicht, dass Männer sich demnächst so gewagt auf die Straße trauen - aber heute ist Showtime für die glamourösen Entwürfe ihres Labels IO. Das Champagnerhaus Moët & Chandon lädt zum jährlichen Wettbewerb „Fashion Debut“ und präsentiert vor geladenen Gästen vier Kollektionen der „Designer von morgen“. Auch wenn sich Nachwuchskräfte aus ganz Deutschland beteiligten – alle Ausgewählten kommen aus Berlin.

Carola Plöchinger ist nicht nur die Einzige von ihnen, die ausschließlich Männermode zeigt, sie ist auch die erste Teilnehmerin an dem zum fünften Mal stattfindenden Fashion Debut, die keine ausgebildete Modedesignerin ist.

Anlass dafür, dass sie es den Männern nicht zu einfach mit ihrer Kleiderwahl machen will, ist das wohl konservativste Männer-Accessoire: die Krawatte. Davon handelte ihre Diplomarbeit in Visueller Kommunikation, ihrem Studienfach an der Universität der Künste. „Die Krawatte ist ein Symbol der Arbeit, der Macht, das nach klaren Regeln funktioniert.“ Sie sprach mit Unternehmen über ihre Kleiderordnung, fotografierte Geschäftsleute auf dem Gendarmenmarkt und stellte fest: „Die sehen alle gleich aus.“ Und: „Das, was Männer tragen, war einfach langweilig.“ Also beschloss die 29-Jährige, die eigentlich als Assistentin des Fotografen André Rival arbeitete, ein paar der Regeln zu brechen.

Sie begann, sich in ihrer Wohnung in Prenzlauer Berg mit Schnitttechnik für Hosen und Hemden zu beschäftigen. Jetzt sehen die zwei Zimmer wie ein einziger großer Arbeitsplatz aus: Zwischen Zuschneidetisch und Nähmaschine steht ihr Bett, an die Wände sind Stoffproben, Notizen und Fotos von männlichen Models gepinnt. Dass es in ihrer dritten Kollektion nur noch eine Krawatte gibt, erstaunt sie selbst. Aber für die Show hatten die großen Teile Priorität, wie die schwarze Lederjacke, in die sie in Nachtarbeit per Hand ein feines Lochmuster stanzte. Seltsam findet es Carola Plöchinger, dass sie immer wieder gefragt wird, warum sie als Frau Männerkleidung macht und auch noch so extreme. „Schließlich sind fast alle großen Designer in Paris und Mailand männlichen Geschlechts – und die bekommen viel Lob für ihre Frauenmode.“

Dabei weiß Carola Plöchinger ihr Publikum ebenso zu täuschen wie ein John Galliano mit seinen exaltierten Dior-Roben. Sie entwirft durchaus tragbare schmale Jacketts, Hemden mit liebevollen Details und T-Shirts, die fast bis zum Hals geschlossen sind. Aber heute Abend werden die Models eben unter den Jacketts nackt sein, damit man sieht, wie schön Männer sind.

In Berlin gibt es IO bei Belleville, Rosa-Luxemburg-Straße 27, Mitte, Internetadresse: www.io-berlin.de

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