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Berlin: So viele Ideen, so wenig Geld

Ein Bundesminister will Ein-Euro-Jobber im Nahverkehr einsetzen, Berlins SPD fordert ein neues Hartz-IV-System. Pro & Contra

Seit Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) den Einsatz von Ein-Euro-Jobbern als Begleiter im öffentlichen Nahverkehr ins Gespräch gebracht hat, wird wieder darüber diskutiert, wie Langzeitarbeitslose im öffentlichen Bereich beschäftigt werden können. Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei/PDS) hatte umgehend mitgeteilt, er sei dagegen, Langzeitarbeitslose als „Lückenbüßer“ für Aufgaben einzusetzen, die von Beschäftigten der Verkehrsbetriebe zu leisten seien. Und wenn es nach der Berliner SPD geht, sind die Ein-Euro-Jobs nur noch ein Auslaufmodell.

Die Arbeitsmarktexpertin der Fraktion, Burgunde Grosse, plädiert für andere Formen der Arbeitsförderung. Ihrer Auffassung nach sollten das Arbeitslosengeld II, die Mietzahlungen und Aufwandsentschädigung für den Ein-Euro-Job zusammengefasst und als Lohn für Arbeit im öffentlichen Beschäftigungsbereich bezahlt werden. Das wirke motivierender. Außerdem müsse man die Förderungsdauer bei Menschen, die nicht in reguläre Arbeit vermittelt werden können, auf bis zu zwei Jahre verlängern. Derzeit werden Ein-Euro-Jobs meist für sechs Monate angeboten. In eine ähnliche Richtung geht es auch beim Koalitionspartner Linkspartei/PDS. Laut Wahlprogramm können so Jobs entstehen, „die mit mindestens 1000 Euro netto entlohnt werden“. Dies entspricht der Höhe eines Mindestlohnes, wie ihn die PDS fordert. Auf Landesebene kann über eine derartige Änderung der Beschäftigungsförderung nicht entschieden werden, das ist Sache der Bundespolitik. Grosse ist zuversichtlich, dass die Bundesregierung das Thema anpackt. Sie rechnet damit, dass es im Herbst erste Vorschläge geben wird. „Wenn von der Bundesregierung aber nichts kommt, ist eine Bundesratsinitiative Berlins denkbar“, sagt Grosse.

In Berlin gibt es rund 34 400 Ein-Euro- Jobs bei 294 000 Arbeitslosen. Die meisten von ihnen sind bei sozialen Diensten, in der Kinder- und Jugendhilfe sowie im Grünbereich tätig. Insgesamt haben sich Senat und Kammern, die den Ein-Euro-Jobs kritisch gegenüberstehen und Verdrängung fürchten, auf eine Liste von 138 Tätigkeiten geeinigt, in denen eine Beschäftigung als unbedenklich gilt. Für Bündnis 90/Grüne ist eine solche Liste bei der Förderung von Langzeitarbeitslosen kontraproduktiv. Sie „behindert sinnvolle Beschäftigungs- und Qualifizierungsangebote“. Die Partei strebt einen so genannten „gemeinwirtschaftlichen Sektor“ an, bei dem Arbeitslose qualifiziert und gleichzeitig die städtische Infrastruktur verbessert wird.

Ein direkter Einsatz der Ein-Euro-Jobber bei städtischen Einrichtungen gestaltet sich ohnehin momentan als schwierig, da die Personalräte immer gefragt werden müssen. „Im schulischen Bereich haben wir eine Ablehnungsquote von 70 Prozent“, sagt Wolfgang Schimmang (SPD), Bildungsstadtrat in Neukölln. In Pankow gibt es nach Auskunft von Bezirksbürgermeister Burkhard Kleinert (Linkspartei/PDS) derzeit eine gerichtliche Auseinandersetzung mit dem Personalrat über eine Beschäftigung im Stadtplanungsamt.

Für Rainer Eppelmann, in der CDU-Wahlkampfmannschaft Experte für Arbeit, ist eine Ausweitung des öffentlichen Beschäftigungssektors keine Alternative. Er setzt auf den ersten Arbeitsmarkt und will zusätzliche einfache Beschäftigungsmöglichkeiten in der privaten Wirtschaft schaffen. Mit einer „Mischfinanzierung“ sollen die Löhne, die für eine Existenzsicherung zu niedrig sind, über Zuschüsse aus dem Arbeitslosengeld I oder II aufgestockt werden. Das schaffe sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze. Allerdings ist Eppelmann auch davon überzeugt, dass es bei der derzeitigen Situation ohne einen zweiten Arbeitsmarkt nicht geht. „Es muss aber auch jemanden geben, der den bezahlt“, sagt Eppelmann. Der Arbeitsmarktexperte der FDP-Fraktion, Rainer-Michael Lehmann, hält ohnehin nichts von Ein-Euro-Jobs. Seiner Auffassung nach soll jede Arbeitsmarktförderung nur darauf zielen, dass am Ende eine reguläre Beschäftigung entsteht.

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