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So wählte die Hauptstadt: CDU lässt SPD und Linke in Berlin hinter sich

Auch in der Hauptstadt gab es ein Desaster für die Sozialdemokraten. Sie mussten nicht nur den Christdemokraten den Vortritt lassen, sondern wurden sogar von den Linken eingeholt - und zeitweise sogar überholt. Zudem stieß die Wahl in Berlin nur auf vergleichsweise geringes Interesse.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die Berliner Sozialdemokraten sind bei der Bundestagswahl am Sonntag hinter die CDU zurückgefallen und konnten den zweiten Platz nur mit einem hauchdünnen Vorsprung vor der Linken behaupten. Die SPD kam nur noch auf 20,2 Prozent der Zweitstimmen und verlor im Vergleich zur Wahl 2005 über 14 Prozent. Die Landes-SPD stürzte also noch tiefer ab als die Bundespartei. Im Osten der Stadt erreichten die Genossen, die in Berlin mit Klaus Wowereit seit 2001 den Regierenden Bürgermeister stellen, lediglich 18,1 Prozent. Dort liegt der Koalitionspartner der SPD, die Linke, mit 33,8 Prozent weit vor allen anderen Parteien.

Die Union kam stadtweit auf 22,8 Prozent der Zweitstimmen und die Linke auf 20,2. Die Grünen erzielten einen Stimmenanteil von 17,4 und die Liberalen von 11,5 Prozent. Während die Landes-CDU ihr Wahlergebnis von 2005 geringfügig verbessern konnte, legten Linke, Grüne und FDP kräftig zu. Die Wahlbeteiligung lag bei etwa 70 Prozent.

SPD-Landeschef sieht auch landespolitische Ursachen

Der SPD-Landes- und Fraktionschef Michael Müller gab am Sonntag zu, dass dieses katastrophale Ergebnis für seine Partei nicht nur bundes-, sondern auch landespolitische Ursachen habe. „Wir müssen eine selbstkritische Debatte führen.“ Selbst die Stammwählerschaft der SPD sei bei der gestrigen Bundestagswahl nur teilweise mobilisierbar gewesen. Es stehe in Berlin aber kein Kurswechsel der Partei- und Regierungspolitik an, sagte Müller. Es gehe eher um „Korrekturen im Detail“. Die rot-rote Koalition bleibe die „richtige strategische Alternative“ und werde auch für andere Länder interessant. Am 10. Oktober wollen die Sozialdemokraten auf einem Landesparteitag, zu dem der Parteichef Franz Müntefering eingeladen ist, das Ergebnis der Bundestagswahl 2009 auswerten und überlegen, wie es weitergeht. „Wir müssen uns jetzt ganz klar als Partei der sozialen Gerechtigkeit positionieren“, kündigte Wowereit gestern an.

Nur bei den Europawahlen 2009 und 2004 haben die Berliner Sozialdemokraten noch schlechter abgeschnitten. Bei jeder anderen Bundestagswahl seit der Wiedervereinigung 1990 kam die Landes-SPD auf Werte über 30 Prozent. Dieses Niveau ist offenbar unerreichbar geworden. In zwei Jahren wird das Abgeordnetenhaus neu gewählt und die Sozialdemokraten müssen nun mit der Bürde schlechter Wahlergebnisse in die zweite, entscheidende Hälfte der Wahlperiode starten. Von einer bundespolitischen Karriere des Regierenden Bürgermeisters Wowereit nach dieser Bundestagswahl war gestern keine Rede mehr. Vorerst bleibt offen, ob der Berliner SPD-Spitzenmann möglicherweise in einen neu zu wählenden Bundesvorstand einrückt, obwohl seine Partei in Berlin am Wahlsonntag besonders krass schwächelte.

Thierse verliert sein Direktmandat

Der Absturz der Berliner Sozialdemokraten spiegelt sich auch in der Tatsache wider, dass nur noch zwei von zwölf Wahlkreisen gewonnen werden konnten. Sogar der Wahlkreis Pankow, der seit 1990 eine Hochburg der SPD ist, in der Wolfgang Thierse bislang ein Abonnement auf den Wahlsieg hatte, ging dieses Mal verloren. Der Linken-Politiker Stefan Liebich siegte dort überraschend mit knappem Vorsprung.

Damit konnte die Linke in Berlin zum ersten Mal vier Direktmandate erringen. Bisher waren es drei. Die CDU erhielt, wie bei der letzten Bundestagswahl, fünf Wahlkreise und die Grünen eroberten mit Christian Ströbele zum dritten Mal Friedrichshain-Kreuzberg. Und zwar mit einem rekordverdächtigen Erststimmenanteil von 46,9 Prozent. Nur die Linken Petra Pau (47,6 Prozent) und Gesine Lötzsch (47,5 Prozent) holten in Marzahn-Hellersdorf und Lichtenberg noch bessere Ergebnisse. In Friedrichshain-Kreuzberg (Zweitstimmen: 29,3 Prozent), aber auch in Mitte (22,1 Prozent) wurden die Grünen bei dieser Wahl stärkste politische Kraft. Auch in Pankow, Charlottenburg-Wilmersdorf und Tempelhof-Schöneberg erreichten sie Ergebnisse über 20 Prozent.

Die FDP im Westen am erfolgreichsten

Die Linken wiederum konnten sich in Lichtenberg (41,2 Prozent), Marzahn-Hellersdorf (40,8 Prozent), Treptow-Köpenick (33,7 Prozent) und Pankow (27,9 Prozent) an die Spitze setzen. Die Christdemokraten liegen in den West-Wahlkreisen Reinickendorf (33,1 Prozent), Steglitz-Zehlendorf (31,1), Spandau (30,6), Tempelhof-Schöneberg (26,7), Charlottenburg-Wilmersdorf (26,5) und Neukölln (25,9) vorn. Die SPD ist jetzt in keinem einzigen Wahlkreis mehr stärkste Kraft. Die FDP erzielte in Steglitz-Zehlendorf (16,9 Prozent) und Charlottenburg-Wilmersdorf (16,2) ihre besten Ergebnisse.

Insgesamt rückten die drei kleineren Parteien, vor allem Linke und Grüne, nahe an CDU und SPD heran, die bisher noch den Anspruch vertraten, Volksparteien zu sein. Vor allem in der Innenstadt wurden die traditionellen Parteistrukturen bunt durcheinander gewürfelt. Wie viele Bundestagsmandate die Berliner Parteien insgesamt holten, ist noch offen.

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