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Berlin: Sohn erstach Vater im Streit um Musik

22-Jähriger sprach vor Gericht von fehlender Liebe

Es war ein banaler Streit. Der Sohn sollte die Musik leiser stellen. Mitten im Streit zog Philipp M. plötzlich ein Messer. Immer wieder stach er auf seinen Vater ein. „Was haben Sie dabei gefühlt?“, fragte gestern die Richterin. Der 22-Jährige zögerte. „Eigentlich nichts, vielleicht ein bisschen Wut.“ Der Sohn blieb zu Beginn des Mordprozesses einsilbig. Scheu blickte er sich um. Seine beiden 17 und 20 Jahre alten Brüder waren auch im Gerichtssaal. Sie weinten. Er nicht.

Ja, es sei immer wieder zum Streit gekommen, sagte der angeklagte Sohn. Um Kleinigkeiten. „Ich hatte das Gefühl, Vater liebt mich nicht.“ Am 8. Juni dieses Jahres sei der Vater in sein Zimmer gekommen, weil ihm die Musik zu laut war. Der Vater sei „ein bisschen aggressiv“ gewesen, habe ihn „beleidigt und provoziert“, sagte der Angeklagte.

Als der 63-jährige Ingenieur Hans-Jürgen M. die Lautsprecherboxen abbauen wollte, zog Philipp ein Messer. Er stach 23 Mal auf seinen Vater ein. Danach ging er mit 200 Euro aus dem Arbeitszimmer des Getöteten ins Bordell. „Das war doch mein letzter Tag in Freiheit“, erklärte er. Gegenüber der Polizei hatte er seine Tat als „Befreiung“ dargestellt: „Ich habe einfach meiner Seele freien Lauf gelassen, ich wollte endlich wieder lachen.“ Es habe nach den jahrelangen Reibereien bei ihm „Klick“ gemacht.

Für den Verteidiger aber ist Philipp kein Mörder. Der junge Mann habe in einer „affektiven Situation“ das Messer gezogen. Der älteste Sohn sei das schwarze Schaf in der Steglitzer Familie gewesen. Philipp hatte die Lehre abgebrochen. Der Vater besorgte ihm einen Platz in der Abendschule, doch Philipp ging nicht hin. „Vater und Sohn hatten ein ausgesprochen gestörtes Verhältnis, es war ein echtes Familiendrama“, sagte der Verteidiger am Rande des Prozesses. Doch der Anwalt eines der Brüder, der als Nebenkläger auftritt, widersprach. Philipp sei nie verstoßen worden, „egal, was er machte“.

Die Krönung sei aber, dass der Sohn nun auch noch von dem toten Vater etwas erben wolle. Der Prozess wird am Montag fortgesetzt.

Kerstin Gehrke

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