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Berlin: Soll das Dach vom Hauptbahnhof verlängert werden?

Dieser Bahnhof ist ein Erlebnis. Wer hier ankommt, sieht gleich, wo er ist.

Dieser Bahnhof ist ein Erlebnis. Wer hier ankommt, sieht gleich, wo er ist. In einer großen, pulsierenden Stadt, voller Menschen, voller Bewegung, voller Betrieb. Verkehrsströme kreuzen sich, Passagiere streben voran, und das lichte, hohe Gebäude umfasst all das in einer großzügigen, großartigen Geste. Der Bauherr Bahn wollte ein Vorzeigeprojekt – und bekam von den Architekten mehr: ein Meisterwerk. Doch dem war die Bahn offenbar nicht gewachsen. Nicht nur ließ sie eine Gewölbedecke über den Gleisen im Tiefgeschoss abhängen und damit verhunzen. Sie ordnete auch die Kappung des langgestreckten Daches an – das nun gegen die Proportionen des mächtigen Zentralkörpers mit den Bügelbauten wie verkrüppelt daherkommt. Offizieller Grund: Der Bahnhof sollte bis zur Fußball-WM fertig werden. Was auch heißt: Jetzt ist Zeit, den Fehler zu reparieren. Die nötigen Dachsegmente sind ja da und bezahlt; wenn für die Installation die Stadtbahn an ein paar Wochenenden gesperrt werden muss, dann wird der Verkehr in Berlin – wie beim Bau des Bahnhofs gesehen – auch nicht kollabieren. Und die ICE’s, die nicht ohnedies ins Tiefgeschoss umgeleitet werden können, halten eben für einige Wochen wieder am Zoo. Ein bisschen Geld wird die Sache kosten, ja. Aber die Bahn sollte die Größe haben, sich dieser wunderbaren Architektur würdig zu erweisen und sie wirklich zu vollenden.

Die Bahn hat kein Geld. Berlin hat kein Geld. Aber das gläserne Dach des Hauptbahnhofs in Mitte soll für einige Millionen Euros verlängert werden, weil das ästhetische Empfinden des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit gestört ist. Oder beschwert sich sonst wirklich noch jemand lautstark und ernsthaft über den Symmetriebruch, den das sparsam verkürzte Glasdach auf der einen Seite unserer neuen, berückend schönen Hauptstadt-Haltestelle erzeugt? Der Bahnhof liegt so elegant in der Kurve, dass die eine Seite nicht der Spiegel der anderen sein muss. Eine wagemutige Architektur, die von diesem kurzen Dach doch gar nicht hässlich gemacht werden kann. Die Perfektionierung im Sinne des Architekten und des Berliner Regierungschefs würde den Hauptbahnhof, der gerade erst mit großem Pomp eingeweiht wurde, wieder für viele Monate zur Baustelle machen. Es grüßen die Bürger von Schilda. Berlin hat zurzeit ganz andere Sorgen. Das werden bestimmt auch die meisten ICE-Passagiere der 1. Klasse verstehen, die beim Ein- und Aussteigen vielleicht mal ein paar Regentropfen abbekommen - wenn sie nicht den Regenschirm-Service der Bahn AG nutzen. Dafür wird’s im Sommer nicht so heiß unterm Dach und Herr Mehdorn muss weniger Fenster putzen. Bei 21 Milliarden Euro Schulden ist doch auch das ein Argument. Ulrich Zawatka-Gerlach

Holger Wild

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