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Berlin: Soll ein Therapiezentrum für Sexualstraftäter in Tegel eröffnen?

Man kann die Verunsicherung bei Eltern und Anwohnern in Tegel verstehen. Doch die Hysterie, die die CDU wegen des geplanten ambulanten Zentrums für Gewalt- und Sexualstraftäter schürt, ist übertrieben und schadet einer sachlichen Auseinandersetzung.

Von Sabine Beikler

Man kann die Verunsicherung bei Eltern und Anwohnern in Tegel verstehen. Doch die Hysterie, die die CDU wegen des geplanten ambulanten Zentrums für Gewalt- und Sexualstraftäter schürt, ist übertrieben und schadet einer sachlichen Auseinandersetzung. Alle 40 ehemaligen Straftäter, die dort weiterbetreut werden, haben von Richtern ausnahmslos positive Prognosen amtlich bescheinigt bekommen: Ihre Rückfallgefahr ist denkbar gering. Außerdem leben sie bereits in Freiheit. Warum sollten sie ausgerechnet in der unmittelbaren Umgebung ihrer ambulanten Therapie möglicherweise Straftaten begehen? Erstens gibt es dafür keine wissenschaftlichen Erkenntnisse, sagt das Kriminologische Zentrum in Wiesbaden. Zweitens ist die Rückfallquote bei Sexualstraftätern im Gegensatz zu anderen Straftätern erheblich niedriger. Laut Zusammenfassung von 61 internationalen Studien liegt die allgemeine Rückfallrate von Straftätern bei rund 36 Prozent, für Sexualdelikte dagegen bei 13 Prozent. Und drittens - auch das belegen Studien – werden die meisten Sexualstraftaten im familiären Umfeld oder im Bekanntenkreis begangen – und nicht auf offener Straße. Für den Standort des Therapiezentrum in der Nähe der JVA Tegel spricht außerdem, dass die entlassenen Straftäter dort von ihren ehemaligen Psychologen weiter behandelt werden. Das sind Menschen, die sie kennen und zu denen ein Vertrauensverhältnis besteht.

Man könnte ihren Mut schon fast bewundern. Da behauptet Justizsenatorin Schubert, dass „durch richterliche Entscheidungen“ die Ungefährlichkeit der künftigen Therapiezentrumspatienten festgestellt werde – ganz so, als hätten nicht schon Kinder ihr Leben lassen müssen, weil eben diese Entscheidungen falsch gewesen sind, ganz so, als hätte es Frank Schmökel & Co. nie gegeben. Allen Argumenten für den Ambulanz-Standort in der Wohngegend mit zwei Schulen und sechs Kitas halte ich entgegen: Wer will den Kindern und den Eltern in die Augen gucken, wenn dann doch etwas passiert?

Die Männer, die man dort therapieren will, sind Sexual- und Gewaltstraftäter. Sie haben sich mit ihren Verbrechen ganz weit von allen gesellschaftlichen Abmachungen entfernt, sie sind gelenkt von Trieben: Soll man ihnen einen Vertrauensvorschuss gewähren? Soll man sie sammeln an einem Ort, in dessen Nähe die potenziellen Opfer sind? Nein. Selbst wenn der Vergleich mit Blick auf die Konsequenzen hinkt: Ich baue auch kein Diätzentrum zwischen zwei Konditoreien.

Es soll ja Hilfestellungen für diese Straftäter geben, schließlich sind sie frei (erinnert sich eigentlich noch einer ans Kanzlerwort vom „Wegsperren und zwar für immer?“), aber in dieser riesigen Stadt wird sich ein anderer Platz für die Ambulanz finden. Einer, der so weit weg ist von Wohngebieten wie diese Männer von Zivilität. Und sei es nur, um nicht mitschuldig zu werden. Ariane Bemmer

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