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Berlin: Soll es für Politiker strafbar sein, Freikarten anzunehmen?

Ein Amtsträger, „der für die Dienstausübung einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert, sich versprechen lässt oder annimmt“, macht sich strafbar. Laut einer Ausführungsvorschrift ist es öffentlich Bediensteten verboten, Belohnungen und Geschenke anzunehmen – ausdrücklich fällt darunter die „Gewährung von Freikarten“.

Ein Amtsträger, „der für die Dienstausübung einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert, sich versprechen lässt oder annimmt“, macht sich strafbar. Laut einer Ausführungsvorschrift ist es öffentlich Bediensteten verboten, Belohnungen und Geschenke anzunehmen – ausdrücklich fällt darunter die „Gewährung von Freikarten“. Ausnahmen legt eine amtliche Protokollliste fest. Niemand will Politiker bestrafen, weil sie sich als Repräsentanten der Stadt auf wichtigen öffentlichen Ereignissen zeigen. Keiner bezweifelt, dass wichtige Senatsvertreter auf Großveranstaltungen präsent sein müssen. Wer das tut, muss sich nicht beschweren, wenn Unternehmen abwandern oder gar nicht erst in die Stadt kommen. Politik, Standortpolitik zumal, hat auch mit Kontaktpflege zu tun. Einerseits. Andererseits gibt es dafür Grenzen. Entweder man hat Richtlinien und ahndet Verstöße oder man spart sich die Regelungs-Folklore. Die Demokratie braucht keine heiligen Politiker. Doch nicht zuletzt der Fall des Beraters Moritz Hunzinger hat gezeigt, dass es mitunter verdächtige Beziehungsgeflechte zwischen Politikern und Lobbyisten gibt. Und dass vermutlich härtere Sanktionen für Verstöße gegen den Verhaltenskodex nötig sind. Was spricht dagegen, dass ein Politiker seine Karten im Zweifel selbst bezahlt?

Es ist doch grotesk! Die Berliner Staatsanwaltschaft ächzt unter der Last schwerer Ermittlungsarbeiten und ist angeblich personell unterbesetzt. Trotzdem hat ihre Wirtschaftsabteilung Zeit und Muße genug, sich an lächerlichem Kleinkram abzuarbeiten. Seitdem es deutsche Sportvereine gibt, werden Politiker in die Stadien und Hallen eingeladen. In Stadt und Land, von München bis Hamburg. Niemand hat bisher daran ernsthaft Anstoß genommen. Ähnliches gilt für Opern, Orchester und Theater, die ebenso wie große Sportveranstalter staatliche Repräsentanz erwarten. Natürlich muss kritisch nachgefragt und kontrolliert werden, ob möglicherweise zu freigiebig mit Kartenkontingenten umgegangen wird. Es darf keine Selbstbedienungsläden für Minister oder Staatssekretäre, Landräte oder Parlamentarier geben. Aber nun schwebt das Damoklesschwert einer Freiheits- oder schweren Geldstrafe über Politikern, die in ihrer amtlichen Eigenschaft zu Sport und Spiel eingeladen werden. VIP-Karten-Besitzer, renommierte Veranstalter und Sponsoren werden strafrechtlich verfolgt und mangels konkreter Beweise für eine tatsächliche Vorteilsannahme oder -gewährung einem Generalverdacht ausgesetzt: „Die sind doch alle korrupt!“ Das ist Stammtisch-Justiz. Ulrich Zawatka-Gerlach

Marc Neller

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