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Berlin: Sollen flächendeckend stationäre Radarfallen aufgestellt werden?

Manchmal werden Menschen nur deshalb zum Krüppel oder totgefahren, weil sie zur falschen Zeit am falschen Ort waren: auf einem Zebrastreifen oder in einer Kurve, die der Raser von gegenüber leider nicht gekriegt hat. Oder als Kinder auf dem Schulweg.

Manchmal werden Menschen nur deshalb zum Krüppel oder totgefahren, weil sie zur falschen Zeit am falschen Ort waren: auf einem Zebrastreifen oder in einer Kurve, die der Raser von gegenüber leider nicht gekriegt hat. Oder als Kinder auf dem Schulweg. Der Lehrer hat zwar vorgerechnet, dass ein Autofahrer bei einer Notbremsung aus Tempo 50 an der Stelle schon fast steht, an der er bei 75 vor Schreck gerade erst das Bremspedal findet. Aber das Kind ahnte nicht, dass manche Leute mit 75 durch die Stadt fahren.

Das ist die eine Seite, der im vergangenen Jahr allein in Berlin mehr als 20 Menschen zum Opfer fielen. Auf der anderen Seite stehen manche Autofahrer mit ihrem Gefühl, ständig geblitzt zu werden und nichts dafür zu können. Da irren sie. Denn geblitzt wird man zunächst nicht deshalb, weil eine Behörde Geld eintreiben will. Geblitzt wird, wer zu schnell fährt. Und unvermeidlich geblitzt wird nur, wer zu schnelles Fahren für unvermeidlich hält. Wer nicht versteht, dass Tempolimits verbindlich sind, muss es lernen – gern auch mit Hilfe von „Starenkästen“, die die Leute aus dem Kiez zwar bald kennen. Aber nur die. Die anderen müssen mit der „Gefahr“ leben, dass es sie erwischen kann. Die Gewohnheitsraser werden meckern. Und sie werden sich das Rasen abgewöhnen, wenn es ihnen zu teuer wird. Wobei Raserei nicht heißt, dass man mit Tempo 54 durch eine 50er-Strecke rollt. Da bleibt der Star nämlich im Kasten.

Das Grundgesetz der Verkehrsüberwachung besagt: Nehmen die schweren Unfälle zu, werden die Kontrollen verschärft. Nehmen die Unfälle dagegen ab, werden die Kontrollen verschärft. Der Grund dieser nicht ganz stimmigen Haltung ist offensichtlich: Verkehrsüberwachung bringt vor allem Geld, Sicherheit ist zweitrangig.

Die brandenburgischen Kommunen im Berliner Speckgürtel finanzieren sich mit ihren berüchtigten Regentonnen an jeder noch so harmlosen Ausfallstraße praktisch von selbst, und insofern ist es kein Wunder, dass dies auch in Berlin Begehrlichkeiten weckt. Nun wäre wenig dagegen einzuwenden, dass man versucht, mit Starenkästen gefährliche Unfallschwerpunkte zu entschärfen. Doch die bisherige Praxis der fliegenden Radarkontrollen lässt das als frommen Wunsch erscheinen: Selbstverständlich ist es viel einträglicher, auf breiten, übersichtlichen Straßen ohne Fußgänger zu blitzen, wo sich kaum jemand an das Limit hält, einfach, um nicht zum Verkehrshindernis zu werden.

Stationäre Blitzkästen provozieren zudem Ortskundige (und Besitzer von Navigationsgeräten) zu scheinbar unmotivierten Bremsmanövern, mit denen sie andere Autos hinter sich in Gefahr bringen. Der relativ flüssig rollende Verkehr ist immer noch eine große, angenehme Berliner Spezialität. Es wäre absurd, ihn angesichts stetig sinkender Opferzahlen ohne Not auszubremsen. Bernd Matthies

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