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Berlin: Sollte es bei Zensuren für Handschrift bleiben?

Was soll schon dabei rauskommen, bei einer schriftlichen Beurteilung der Handschrift? Karlas Handschrift ist schön, Ottos sehr schön und Tanjas könnte besser sein.

Was soll schon dabei rauskommen, bei einer schriftlichen Beurteilung der Handschrift? Karlas Handschrift ist schön, Ottos sehr schön und Tanjas könnte besser sein. So steht’s dann irgendwo in der Mitte oder am Ende des Zeugnisses. Erkenntnisgewinn? Mäßig. Motivation für Tanja, die Buchstaben ordentlicher zu malen? Null. Sie bleibt bei ihrer Sauklaue. Unübersehbar und folgenreicher wäre dagegen eine 4, 5 oder 6 mitten auf dem Notenblatt.

Überhaupt: Die Zeugnisse von Grundschülern richten sich auch an die Eltern. Die sollen wissen, ob und wie ihr Kind im Unterricht mitkommt. Wenn es um Mathematik oder Deutsch geht, ist es sinnvoll, die Schülerleistungen in den Lernfächern auszuformulieren; hier würde die blanke 3 im Zeugnis zu wenig aussagen. Aber wie ein Kind schreibt, das können die Eltern doch selber sehen, wenn sie einen Blick in die Schulhefte werfen. Dazu braucht es nun wirklich keine ausformulierte Bewertung.

Im Übrigen entlastet es die Lehrer auch, wenn sie bei der Handschrift weiterhin mit Ziffernnoten arbeiten können. So können Sie ihre Mühe besser darauf verwenden, die Leistungen in den anderen Fächern konkret, anschaulich und unmissverständlich zu bewerten. Aus eigener Anschauung weiß ich, dass Eltern dazu neigen, die langen Formulierungen positiver zu deuten, als sie vielleicht gemeint sind. Ariane Bemmer

In Schüler J.’s Grundschulzeugnissen gab es dafür stets nur eine Vier: „Schreiben“ hieß das. Schüler J. war das egal, solange der wichtige Rest mit Zwei oder Drei beurteilt wurde. Note „Schreiben“ rangierte noch weit hinter Religion und Sport. In der vierten Klasse drangsalierte die Klassenlehrerin den Zehnjährigen sogar mit einem Schreib-Lernheft für Erstklässler. Darin sollte er die Buchstaben nachmalen. Lächerlich, dachte sich der Junge damals. Im Gymnasium war dieser Spuk dann zum Glück vorbei.

Wozu wurde „Schreiben“ – korrekt müsste es eigentlich „Schrift“ heißen – denn überhaupt beurteilt und benotet? Schüler J. hat den Sinn damals nicht begriffen und daran hat sich bis heute nichts geändert. Ist die Handschrift nicht ein Aspekt unseres Charakters? Und wer sagt eigentlich, dass Menschen mit unschöner Schrift dümmer sind als die mit der schönen? Das widerlegen nicht nur Ärzte, die die furchterregendsten Krakel auf die Rezepte schmieren oder Rechtsanwälte mit wirren Unterschriften.

Nein, die Handschrift sollte auch in der Grundschule nicht bewertet werden. Wenn die Lehrerin etwas gar nicht mehr lesen kann, wenn die Rechenaufgabe oder das Diktat un- oder missverständlich sind – dann verschlechtert sich eben die Deutsch- oder Mathematiknote. Das wäre für Schüler J. die Motivation gewesen, sich Mühe zu geben. Jörn Hasselmann

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