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SONNTAGS um zehn: Botschafter des Lichts

In St. Marien Liebfrauen in Kreuzberg wurden gestern Sternsinger ausgesandt.

Schneegraupel rieselt in den Wrangelkiez und an den Füßen klebt der trübe Januarmix aus Schneematsch, Streugranulat und roter Böllerpapierpampe. Auf dem Hof der Kreuzberger Kirche St. Marien Liebfrauen in der Wrangelstraße glitschen vorsichtig ein paar Katholiken Richtung Eingangstür. Drinnen dann ein Aufatmen: kurz vorm Dreikönigsfest am Dienstag hängt der Weihnachtsglanz noch wie in einer guten Stube im prächtigen Kirchenschiff. Der Tannenbaum brennt, der Stern über den Krippenfiguren leuchtet, die Leute tauschen Neujahrswünsche.

Und dann ziehen Pfarrer Matthias Goy, der Jugendseelsorger des Erzbistums, und der Mini-Sternsingertrupp der Gemeinde ein. Die heiligen Könige und Königinnen aus dem Morgenland tragen ein schüchternes Lächeln, Pappkronen, Turbane und einen Goldstern am Stock. Und wie sie so dastehen und mit wackeligen Stimmen ihr Sternsingerlied zur Klampfe singen, sollte man nicht glauben, dass sie Teil einer mächtigen Bewegung sind. In Deutschland sind dieser Tage rund eine Million Kinder bei der weltweit größten Solidaritätsaktion von Kindern für Kinder unterwegs. In Kreuzberger Familien oder beim Bundespräsidenten. Knapp 40 Millionen Euro Spenden sammelten sie letztes Jahr für Straßenkinder- oder Kindersoldatenprojekte, für Aids-Waisen, Hungernde oder Flüchtlinge.

„Ihr seid Botschafter des Lichts“, sagt Pfarrer Goy, als er die verkleideten Kinder samt ihrem Zubehör, Kreide zum Beschriften der Türbögen, Weihrauch, Weihwasser, Salz und Spendenbüchse segnet. „Ihr tragt Gottes Weihnachtslicht und Neujahrssegen in jedes Haus.“ Und dann erzählt er in seiner Predigt von Irrlichtern, denen die Menschen in alten Sagen ins Moor folgten, wo sie kläglich zugrunde gingen. Solche Irrlichter gäbe es in jedem Leben, sagt der Pfarrer: Pläne, Vorstellungen oder Wünsche, die eines Tages einfach platzten. Das Licht des Glaubens dagegen sei weise und wahrhaftig und ermögliche Orientierung und Neubeginn in dunkler Natur.

Die scheuen die Sternsinger am Ende des Gottesdienstes noch etwas und kichern am Ausgang der Kirche herum. Was gefällt Euch am Sternsingersein? Schweigen, Achselzucken, Kichern. Warum macht Ihr es dann? „Weil''s Geld für arme Kinder gibt.“ Die bisher beste Antwort des Jahres. gba

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