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Bei Pfarrer Plenert (l.) und Prädikant Tiedt (r.) gab es nach dem Gottesdienst noch Kaffee und Kekse für die Helfer - aber das ist auch an anderen Sonntag üblich.

© ari

Sonntags um zehn: Danke predigen - Kirchen feiern ihre Helfer

In der Alten Nazarethkirche in Wedding ging es an diesem Sonntag um die Arbeit der ungezählten Ehrenamtlichen - und die Predigt hielt der gerade ins Amt gekommene kirchliche Flüchtlingskoordinator.

Wäre es planmäßig geblieben, wäre es darum gegangen, dass Gottes Wort „lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert“ ist. Laienprediger Peter Tiedt lacht, hätte auch ganz gut gepasst in die aktuelle Situation, oder? Worte und was sie bedeuten können und sollen – ist das nicht Thema derzeit?

Aber dann kamen Senat und Abgeordnetenhaus auf die Idee mit dem Danke-Tag für die ehrenamtlichen Helfer, und man fragte auch beim Bischof an, ob die Kirchen vielleicht mittun wollten? Na klar, und darum sagt Peter Tiedt an diesem Sonntag in der Alten Nazarethkirche in Wedding nicht, was er gesagt hätte, sondern führt durch die Liturgie eines Dankes-Gottesdienstes, der zeitgleich in sechs Kirchen von Zehlendorf bis Karlshorst stattfand.

Als Prediger wurde in Wedding Kaspar Plenert, 38, ausgesucht, der seit Jahresbeginn mit einer halben Stelle die Flüchtlingsarbeit der 44 Gemeinden im Kirchenkreis Nord-Ost koordiniert. Gerade kommt er angehetzt, die Kälte von draußen umweht ihn noch. Was er im neuen Job macht? Vor allem Beratung, Vernetzung, damit nicht alles zwei- und dreimal gemacht wird. Viele Koordinatorenstellen würden gerade in den Kirchen geschaffen, alles würde professioneller. Den Danke-Tag und, dass mal die Helfer in den Mittelpunkt gestellt werden, finden beide Kirchenmänner eine gute Idee. Tiedt hält nach dem ersten Lied einen Ausdruck mit allen Gratis-Veranstaltungen in der Stadt hoch, da sei doch sicher für jeden etwas dabei, sagt er.

Die Kölner Nacht und das "war doch klar" danach

Doch zeigt sich, wie schwer der Perspektivwechsel fallen kann. Plenerts Predigt beginnt in der Kölner Silvesternacht, die „verheerend“ auch für die Flüchtlingshelfer gewesen sei, die sich seither „War doch klar“ vorhalten lassen müssten. Dass seither die Angst im Land sei, und auch er sich nicht befreien könne, weil er eine „verschwindende Kompromissbereitschaft“ sehe, es nur noch um schwarz oder weiß gehe und das „verstehen wollen und selber denken“ verkümmere. Plenert spricht empathisch und vermag den hohen Kirchenraum im ersten Stock des historischen Schinkelbaus an der Müllerstraße zu füllen – aber sind das die richtigen Worte, um sie an eine Gemeinde, die aus ehrenamtlichen Helfern besteht, zu richten?

Auf den Holzstühlen sitzen vor allem Frauen und Männer aus Niederschönhausen, die der Einladung zum Gottesdienst in Mannschaftsstärke gefolgt sind. Sie gehören zur dortigen Friedenskirche und kümmern sich um die Bewohner von zwei Flüchtlingsheimen in deren Umgebung. Es gibt ein wöchentliches Café, das sehr gut angenommen werde, wie Christine Kübler vor dem Gottesdienst erzählt, und inzwischen hätten sich auch darüber hinaus private Kontakte ergeben. Sie hat sich sehr über die Danke-Aktion gefreut, aber von den Gratisangeboten wird sie keins nutzen, denn am Nachmittag ist ja bei ihnen wieder das Café …

Hilfe muss nicht gratis sein, auch das lehrt die Bibel

Plenert kommt zum barmherzigen Samariter, der dem Notleidenden geholfen und ihn in der nächsten Stadt in einer Herberge untergebracht habe. Nicht, ohne den Wirt dafür zu bezahlen. Dass Hilfe nicht grundsätzlich gratis sein müsse, solle nicht vergessen werden, sagt Plenert. Auch wenn sie es derzeit in Berlin vielerorts ist. Und dann dankt er den Versammelten für ihre Arbeit, ihre Gespräche, die Worte, sie gefunden haben, ihre Nerven, ihre Zeit und ihr Geld, das sie investiert hätten, für ihr „verstehen wollen und selber denken“. Zum Abschluss ist wieder Peter Tiedt dran. Er hatte zuvor von seiner Ost-Biographie berichtet, dass er daher das Flüchtlingsthema noch ganz anders kenne, und dass er es auch kenne, wenn Bürger zu einer Meinung erzogen werden sollten. Daran habe ihn der von einem Helfer erfundene syrische Tote erinnert. Das Wort und das Zweischneidige. Der reguläre Gottesdienst wäre sicher auch interessant geworden.

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