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SONNTAGS um zehn: „Der Mensch ist ein Wesen der Freiheit“

Georg Kardinal Sterzinsky hält einen Gedenkgottesdienst zum Mauerfall

Ein Gottesdienst kann ein richtiges Spektakel sein für die Gläubigen. Und die St.-Hedwigs-Kathedrale, Bischofskirche der Erzdiözese Berlin, mit ihrer großen Kuppel, die an das Pantheon in Rom erinnern soll, ist genau der richtige Schauplatz für ein spektakuläres Hochamt mit Georg Kardinal Sterzinsky am Tag vor dem 20. Geburtstag des Mauerfalls. Fast alle Plätze sind belegt, alle Gesangbücher verteilt, als ein junger Mann mit großem Rucksack auf Turnschuhen zu spät hereinhuscht und sich die allerletzte Liederfibel vom Chorleiter ausborgt. Gerade eben bevor der Kardinal mit einer großen Gruppe Würdenträger in grünem oder purpurnem Ornat in einer Prozession hereinschreitet. Ein halbes Dutzend Bischofsmitren in Weiß und Gold sind zu sehen. Die Gottesdienstbesucher zücken ihre Kameras und fotografieren durch die Weihrauchschwaden. Anfangs noch zaghaft, dann immer mutiger.

Schließlich steht Kardinal Sterzinsky umringt von anderen Bischöfen und vielen weiteren Priestern an derselben Stelle wie vor 20 Jahren. Und erinnert an jenen noch viel spektakuläreren Gottesdienst, den er am 12. November 1989 hielt – den ersten „für Ost und West“ nach dem Fall der Mauer. „Die Kathedrale war überfüllt“, sagt der Kardinal, der damals als Ost-Berliner gerade erst Bischof von Berlin geworden war. Er hoffe, dass „heute der eine oder andere hier ist, der sich an jenen Gottesdienst erinnert“ – um gemeinsam mit ihm „für die Freiheit der Kinder Gottes, die wir vor 20 Jahren geschenkt bekommen haben“, zu danken. Damals sei er gerade von einem Besuch beim Heiligen Vater in Rom zurückgekommen mit guten Wünschen für die Berliner – von Papst Johannes Paul II. Kardinal Sterzinsky wird den Vorgänger Benedikts XVI. noch so oft in seinem Hochamt erwähnen, dass man fast das Gefühl hat, er sei anwesend. Der Papst habe immer wieder jenen Menschen Mut gemacht, die gegen die Trennung zwischen Ost und West aufbegehrten. Der Mauerfall sei ein „Wunder“ gewesen, sagt er, hinter dem „die allmächtige Hand Gottes“ stehe. „Wir sollen in diesen Tagen überdenken, dass der Mensch ein Wesen der Freiheit ist, dass dies seine Würde ausmacht.“ Eine Mahnung, die er vor allem an „Geschichtsvergessene“ richtet, „die noch immer die DDR verherrlichen“.

Immer wieder singt der Chor mit Posaunenbegleitung aus der „Missa Sine Nomine“ von Giovanni Pierluigi da Palestrina. Und immer wieder klatschen die Gottesdienstbesucher wie im Theater – etwa, als Kardinal Sterzinsky seinen polnischen Amtskollegen aus Stettin vorstellt: Andrzej Dziega ist gekommen, um auch eine kleine Predigt zu halten, unter anderem über die deutsch-polnische Freundschaft. Die wollen die beiden Bischöfe noch vertiefen – am nächsten Freitag halten sie gemeinsam einen Gedenkgottesdienst in Stettin. Dort werden allerdings nicht wie in der St.-Hedwigs-Kathedrale gleich sechs Bischöfe ihren Segen spenden.Daniela Martens

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