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Berlin: Sonntags um zehn: Des Leidens noch nicht leid

An den Tag, als Pfarrer Gisbert Mangliers die Kerze vom Altar nahm und ins Gemeindehaus trug, werden sich die Kirchgänger der Elias-Gemeinde noch lange erinnern. Drei Monate ist es her, dass sie ihre Kirche im Prenzlauer Berg aufgeben mussten und sich seitdem Sonntags im Gemeindehaus in der Göhrener Straße treffen.

An den Tag, als Pfarrer Gisbert Mangliers die Kerze vom Altar nahm und ins Gemeindehaus trug, werden sich die Kirchgänger der Elias-Gemeinde noch lange erinnern. Drei Monate ist es her, dass sie ihre Kirche im Prenzlauer Berg aufgeben mussten und sich seitdem Sonntags im Gemeindehaus in der Göhrener Straße treffen. Für die Sanierung des kaputten, unter Denkmalschutz stehenden Kirchenschiffs reichte das Geld nicht. Nach seiner feierlichen Entweihung baut die Stadt ein Museum für Kinder und Jugendliche in die einst heilige Halle hinein.

Zur Predigt sind heute Gäste von fernab gekommen: Die Partner-Gemeinde aus Iserlohn schaut am Palmarums-Wochenende vor Ostern in Berlin vorbei. Und ihr Pfarrer darf die Predigt halten. Frank Ludwig spricht über Leid und wie man es am besten erträgt: Zusammen nämlich. Auch die Iserlohner Gemeinde musste ein Gemeindehaus aufgeben, weil bei ihr Geld und Gläubige knapp wurden. "Gott hilf mir", wird gesungen, "das Wasser reicht mir bis an die Kehle". Die, die übrigbleiben, sollten zusammenhalten, sich gegenseitig Mut geben, füreinander "Zeugen des Glaubens" sein, wie Ludwig sagt. Geteiltes Leid ist halbes Leid; wenn es gelingt, es zum Beispiel zwischen Ost und West zu teilen, so ist das doch doppelt gut.

Trotzdem seien viele Christen mutlos, sagt Ludwig. Unter den Römern, als sie verfolgt wurden, im Mittelalter, als die Osmanen sie bedrohten, im Dritten Reich, als bekennende Christen in Konzentrationslager kamen. Und in der DDR habe keiner seinem Glaubensbruder trauen können: Ist er vielleicht ein IM? Links und rechts vom Gemeindehaus, in der renitenten Prenzlauer Berg-Szene, hatte die DDR-Führung besonders viele Stasi-Mitarbeiter einquartiert.

Es wird gesungen: "Herr, präge uns Kraft und Demut ein". Demut braucht nur wenig Mut. "Du hast für mich am Kreuz dein teures Blut vergossen, dass lass mich, Herr, genießen".

Mehr junge Leute braucht die Elias-Gemeinde, sagen alle, ein paar hat sie: Vielleicht zehn der hundert zur Andacht Versammelten mögen unter dreißig sein. Doch wird es auch den Jungen genügen, im Gottesdienst von Demut zu sprechen und davon, füreinander "Zeugen des Glaubens" zu sein? Gibt allein das ihnen Mut? Immerhin: Die Kinder kriegen in der Elias-Gemeinde ihren eigenen Gottesdienst.

Dass die Elias-Gemeinde ihre Kirche aufgegeben hat und nicht das runde Gemeindehaus mit seinen bunten Scheiben, der Galerie und der Bühne, das ist vielleicht ein gutes Zeichen. Denn hier kann man feiern. Auf dem Klavier steht ein Kassettenrekorder.

Erlebnis-Kirche: Wie zu Sommerfest und Erntedank werden auch Ostern mehr junge Besucher erwartet. Beim Auferstehungs-Gottesdienst in der Nacht zum Ostersonntag wird ein großes Feuer im Hof brennen, und zu Mitternacht wird Pfarrer Mangliers die brennende Osterkerze in den dunklen Saal tragen, mit der Flamme alle anderen Kerzen anzünden, bis es darin hell wird. Danach gibt es das Frühstück und ein langes Fest. Im vergangenen Jahr sind die Letzten erst am nächsten Morgen um fünf gegangen.

Christian Domnitz

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