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SONNTAGS um zehn: Die Freiheit der Verantwortung

Kandidatenkür für das Bischofsamt in der evangelischen Marienkirche am Alex: Den Anfang machte gestern Rüdiger Sachau, Leiter der Evangelischen Akademie.

Die meisten Menschen schreiben Bewerbungen, wenn sie eine neue Aufgabe suchen. Die Kandidaten für das Bischofsamt der evangelischen Landeskirche halten Gottesdienste. Den Anfang machte gestern Rüdiger Sachau, Leiter der Evangelischen Akademie. An den kommenden Sonntagen folgen die beiden anderen Kandidaten, ebenfalls in der Marienkirche am Alexanderplatz. Im Mai wählt das Kirchenparlament den Nachfolger von Wolfgang Huber, der aus Altersgründen ausscheidet.

Sachaus Einfall für die Bewerbung: Er appellierte geschickt an den Mut der Zuhörer und an die Kraft des Glaubens. Die meisten der 123 Kirchenparlamentarier lauschten denn auch gespannt seinen Worten. Auch nahezu alle Verantwortlichen aus der Kirchenleitung und viele Pfarrer wollten wissen, wie sich der Mann macht, der vielleicht bald ihr Chef ist. So viele volle Stimmen hört man selten, was dem Gottesdienst eine festliche Aura verlieh und zu Sachaus Vision von Kirche passte: ein „großer Chor mit vielen Stimmen, die gemeinsam einen starken Klang haben“. Der 52-jährige Sachau erinnerte auch daran, dass Kirche „kein Unternehmen“ ist, mit kritischem Blick auf Hubers Reformpapiere, in denen von Taufquoten und Leistungsbereitschaft die Rede war. „Kirche kann in ihren Formen professioneller werden, aber im Kern bleibt sie eine lebendige Bewegung.“ Sachau offenbarte sich als Freund des Pilgerns, der Neuem vertraut, und ermunterte zu Gelassenheit und Selbstvertrauen.

Um Vertrauen ging es auch in der Predigt. Der schmale, jungenhafte Sachau las von der Kanzel das Gleichnis von den bösen Weingärtnern vor, wobei er die große Hallenkirche mit seiner Stimme nicht immer ausfüllte. In dem Text schickt der Besitzer des Weinberges Boten, um von den Pächtern seinen Teil der Ernte zu holen. Doch die Pächter erschlagen die Boten.

Das Gleichnis handle davon, wie wir mit Boten umgehen, interpretierte Sachau. Wie wir verdrängen, wenn sie Schlechtes ankündigen, Veränderungen anstoßen wollen. Er spannte den Bogen vom Einzelnen zu gesellschaftlichen Reformen und sparte die Kirche nicht aus. Im Kern gehe es um unser Verhältnis zu Gott. Einige Pächter überkommen Zweifel nach den Morden. Sie könnten den Weinbergbesitzer um Verzeihung bitten, wenn sie auf die Gnade Gottes vertrauen würden. „Die Freiheit bleibt bestehen, auch die Freiheit, Fehler zu machen“, resümierte Sachau. Aber auch die Verantwortung für die Folgen unseres Tuns. „Weil Gott uns ernst nimmt, richtet er uns, aber weil er uns liebt, wird er barmherzig urteilen. Darauf können wir vertrauen.“ Das ist die Hoffnung. „Aber oft zerstören wir gerade das, was uns retten könnte“, sagte Sachau und erntete viel Kopfnicken, doch auch abwägendes Schulterzucken. Zum Schluss sangen alle mit kräftigen Stimmen: „Vertraut den neuen Wegen, auf die der Herr uns weist.“ Claudia Keller

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