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Sonntags um zehn: Gebet für Frieden am 1. Mai

Predigt auf dem Myfest: In Kreuzberg beteten Christen für einen friedlichen Verlauf des 1. Mai.

Der bläuliche Rauch von Holzkohlengrills zieht über den Kreuzberger Mariannenplatz, das „Myfest“ ist in vollem Gange. Auch vor der Sankt-Thomas-Kirche ist eine Bühne aufgebaut: Musiker spielen Keyboard, Bass und Schlagzeug, eine Frau singt „Lobe den Herren!“

Seit 2004 feiert das überwiegend aus Mitgliedern verschiedener Berliner Kirchen bestehende Netzwerk „Gemeinsam für Berlin“ auf jedem „Myfest“ einen Gottesdienst. „Wir beten für einen friedlichen 1. Mai“, sagt der zweite Vorsitzende von „Gemeinsam für Berlin“, der landeskirchliche Pfarrer Axel Nehlsen. Er trägt Lederjacke und Jeans und berichtet davon, dass es in den Zeitungen im vergangenen Jahr „tatsächlich Gebetserhörungen zu lesen gab“: 2010 sei es friedlich gewesen in Berlin. Dann spielt wieder die Band. „Ich weiß, dass Jesus lebt, er ist auferstanden, und er lebt auch in mir, lebt auch in mir“, verkündet die Sängerin. Manche der mehreren hundert Menschen vor der Bühne singen mit, andere sitzen einfach nur auf dem Rasen und genießen die Sonne. Ein Mann versucht vergeblich, das „Neue Deutschland“ zu verteilen, eine Verkäuferin an einem Crêpes-Stand schüttelt ungläubig den Kopf.

Auf der Bühne hat die christliche Verlegerin Kerstin Hack mit einer Predigt begonnen. „Halt, du dahinten, ja, dich meine ich“, schreit sie aus vollem Hals, um dann fortzufahren: „Schreien ist manchmal wirkungsvoll, ein Ausdruck von Hoffnung.“ Nur wer Hoffnung hat, gehört zu werden, schreie. Sie erzählt eine Geschichte aus dem Markus-Evangelium, von verzweifelten Menschen, die ein Dach zertrümmern, „um ihren kranken Kumpel zu Jesus zu bringen.“ Jesus habe ihn geheilt, aber erst, nachdem sie das Dach zertrümmert hätten. Ob auch die Gewalt in Kreuzberg ein Schrei nach Hilfe sei? Jesus mache auch heute Menschen neue Hoffnung. „Ich weiß nicht, was das für Berlin 2011 bedeutet, aber ich glaube, Gottes Kraft ist hier, um zu heilen und zu verändern“, sagt Kerstin Hack. Sie fordert die Christen auf, „einzugreifen und zu handeln, dort, wo Not ist“: anderen bei der Miete zu helfen, sich für Drogenabhängige zu engagieren oder sie zu Ämtern zu begleiten.

Dann beten die Christen für einen friedlichen Verlauf der Nacht. In kleinen Gruppen stehen sie zusammen, andächtige Stille senkt sich über den Mariannenplatz. Nur das Tuckern eines Dieselgenerators ist zu hören. Auch einige Passanten bleiben stehen. „Irgendwie skurril“, sagt ein Mann mit einer Baskenmütze. „Aber skurrile Gruppen gehören zum Myfest ja dazu.“ Benjamin Lassiwe

„Gemeinsam für Berlin“ im Internet: www.gfberlin.de

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