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Berlin: Sonntags um Zehn: Hoffnung bewahren - auch am Ende Berlins

Mit der S-Bahn braucht man 41 Minuten vom Bahnhof Zoo bis Wartenberg. Dann noch ein paar Wegminuten zwischen nachwendlich renovierten elfgeschossigen Plattenbauten und vorwendlich hässlichen Zweckbauten.

Mit der S-Bahn braucht man 41 Minuten vom Bahnhof Zoo bis Wartenberg. Dann noch ein paar Wegminuten zwischen nachwendlich renovierten elfgeschossigen Plattenbauten und vorwendlich hässlichen Zweckbauten. Die Straße Am Berl wird quer von einem kleinen Gebäude abgeschlossen, das ein goldenes Kreuz auf dem Dach als ein Haus Gottes ausweist. Dahinter sieht man nur noch freie Natur - hier ist Berlin am Ende. Im Vorgarten des Kreuzgeschmückten Evangelischen Gemeindezentrums "Heinrich Grüber" - 1988 mit westdeutschem Geld erbaut - steht eine in einem Zementblock eingegossene Stahlschiene. Das "Denkmal des unbekannten Deserteurs" schufen 1989 junge Leute aus der DDR-weiten Initiative "Freundeskreis Wehrdienstverweigerer" - heute eine historische Erinnerung an die Wendejahre. Im Gemeindesaal finden sich gestern Morgen etwa 30 Menschen zusammen, um Gottes Wort zu hören.

Nur vier Prozent der etwa 30 000 in Hohenschönhausen-Nord wohnenden Berliner ist konfessionell gebunden, erklärt Pfarrer Günther Köhler der fremden Besucherin. Die fällt auf - man kennt und duzt sich hier. "Hoffnung bewahren" ist das Motto des Gottesdienstes, den der Frauenbibelkreis der Gemeinde gestaltet. Wie sie am 11. September hier zusammensaßen, als die Nachricht aus New York die Welt überfiel, erinnert eine und schließt mit der Frage: "Mit wie viel Hoffnungen zogen diese Mütter ihre Söhne auf?" einen Kreis zu den Toten, denen gestern zum Volkstrauertag gedacht wurde. "Gib Frieden, Herr, gib Frieden", singt die kleine Gemeinde geschlossen das erste Lied.

Danach gibt es Schlagzeilen unserer Zeit wie "3900 Deutsche ziehen in den Krieg gegen Terror", "815 Millionen Menschen hungern" und "Der geklonte Mensch wird kommen" zu hören. Von welcher Hoffnung können wir da noch leben, werden alle gefragt. "Dass wir einen Heiland haben", antwortet eine, "dass wir nicht allein sind und Freunde Zeit für uns haben", hofft ein junger Mann. Symbole der Hoffnung stellen die Frauen anschließend vor: Blumen, die Sonne, ein Baum, Kinder, das Lamm Gottes. "Seid fröhlich in Hoffnung" wird gerade aus der Bibel zitiert, als sich in der zweiten Stuhlreihe ein unternehmungslustiges Gemeindemitglied im Säuglingsalter einen neuen Schoßplatz sucht. "Der Weg bis zum Ziel hat es in sich" endet die Predigt zu einem Text aus Moses tröstlich mit der Zuversicht, dass Gott uns nah bleibt und uns Umwege auf dem Weg ins gelobte Land nicht kopflos machen müssen. "Vertraut den neuen Wegen, auf die der Herr uns weist", singen alle, eine alte Frau mit Kopfhörern auf den Ohren muss dazu nicht mal das Gesangsbuch lesen. "Achjeh" sagt sie später laut in den Saal hinein, als die Kollekte vom vergangenen Sonntag bekannt gegeben wird: 167 Mark und 33 Pfennige.

Im Vorraum kann man dann eine Tasse Kaffee trinken, seine Unterschrift gegen den Bundeswehreinsatz in Afghanistan abgeben und viele Info-Zettel lesen. Einer davon kündigt mit Klaus Wowereit, Manfred Stolpe und Bischof Wolfgang Huber gleich drei Schirmherren für den 5. Benefizball am 23. November im Evangelischen Gemeindezentrum Heinrich Grüber an. Für die "Antik-Überraschungs-Tombola werden noch Spenden gesucht.

Heidemarie Mazuhn

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