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Sonntags um zehn: Mit Worten fasten

Wider die Worthülsen: Eine Predigtreihe in der Friedrichstadtkirche beschäftigt sich damit, wie viel Worte eigentlich nötig sind.

Eine hübsche Idee für einen Prediger: Mit Worten fasten. Genauer gesagt, auf überfrachtete, überstrapazierte Begriffe verzichten. „Sieben Wochen ohne Große Worte“ heißt eine Predigtreihe zur Fastenzeit in der Französischen Friedrichstadtkirche. Dort wollen die Prediger und Predigerinnen noch bis 13. April keines der „großen Worte“ mehr benutzen, von denen eine Predigt zu leben scheint. „Erlösung“, „Gnade“, „Frieden“ gehören ebenso dazu wie „Kreuz“, „Sünde“ und sogar „Gott“. Aber sind das wirklich „große Worte“ oder nur Worthülsen, die die Predigt überladen? „Platzhalter, aus denen die Inhalte längst ausgewandert sind“, wie Kathrin Oxen vom Wittenberger Zentrum für Predigtkultur meint? Kann also der Verzicht nicht doch Gewinn sein?

Nun ist es mit dem Fasten mit Worten wie mit dem eigentlichen Fasten. Einfach nur das Essen weglassen, das reicht nicht. Richtiges Fasten will gelernt sein. Eine Herausforderung – für die Predigenden wie für die Zuhörer.

Pfarrer Peter Martins hält die dritte Predigt in der Reihe. Sie handelt von einem Text aus dem Buch der Könige. Dieser berichtet über Elias Konflikt mit König Ahab im ostjordanischen Gilead. Ahab hatte sich die Phönizierin Isebel zur Frau genommen und ihre Wetter- und Fruchtbarkeitsgottheit Baal in die Staatsreligion integriert. Die Folge waren blutige Auseinandersetzungen auf dem Berg Karmel, bei denen Elia alle Baalspriester ermordete. Weil er nun als Staatsfeind selbst um sein Leben fürchten muss, flieht er in die Wüste. Völlig erschöpft und verzweifelt findet er schließlich Unterschlupf in einer Höhle. Spätestens an dieser Stelle könnte jetzt das kommen, was in Predigten oft kommt: der holprige Versuch einer Analogie mit dem Heutzutage, mit seinen Burn-out- und Überforderungserfahrungen. Doch Peter Martins tappt nicht in diese Falle, sondern warnt vor solchen interpretativen Kurzschlüssen. Statt dessen sagt er: „An Elias Händen klebt Blut, und sein Weg ist keine Pilgerreise.“ Er bleibt beim Text und seiner Entstehungszeit. Keine Auslegung mit wohlfeilen Assoziationen zum Hier und Jetzt, die so viele Predigten zum Ärgernis machen, weil sie einen auf plumpe Weise intellektuell unterfordern. Mit Worten fasten, und zwar nicht nur mit solchen, die längst zum „Kirchenslang“ gehören, ist eine gute Idee. Auch für Politiker, Wirtschaftsbosse, Sportler und Journalisten.

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