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SONNTAGS um zehn: Schaut auf den brennenden Dornbusch Beim Gottesdienst in der Heilandskirche nimmt man sich Mose zum Vorbild

„Nun bitte ich Sie, sich untereinander mit den Worten: Friede sei mit Dir! zu begrüßen!

„Nun bitte ich Sie, sich untereinander mit den Worten: Friede sei mit Dir! zu begrüßen!“ Die Stimme der Lektorin duldet keinen Widerspruch. Um kurz nach elf Uhr kommt Bewegung in die Heilandskirche an der Thusnelda-Allee in Moabit. Die gut 50 Gottesdienstbesucher gehen durch die Stuhlreihen des modernisierten Backsteingotteshauses und wünschen einander Frieden. Auch Pfarrerin Annette Reichwald-Siewert macht mit. Schon zu Beginn des Gottesdienstes hat die grauhaarige Theologin jeden einzelnen Kirchgänger persönlich begrüßt. Und von den meisten Menschen in der Kirche kannte sie sogar den Namen. Nun betet sie vor dem Altar und dem von Lampen angestrahlten Bronzerelief des Künstlers Waldemar Otto um Selbstvertrauen und Entschlossenheit für ihre Gemeinde. Sie selbst tritt energisch zur Predigt an das schlichte Lesepult; die an einem Pfeiler angebrachte, den ganzen Raum dominierende steinerne Kanzel bleibt leer.

„Liebe Gemeinde, Ägypten!“, setzt sie an. „Ägypten macht viele schreckliche Schlagzeilen, aber auch Hoffnung, dass Befreiung glücken wird.“ Doch wer nun damit rechnet, dass es in diesem Gottesdienst noch mehr um die Revolution im Nahen Osten gehen könnte, sieht sich enttäuscht. Im Zentrum steht das Alte Testament, das Ägypten der Vergangenheit. Annette Reichwald-Siewert predigt über Mose, der die Israeliten aus Ägypten herausführt, aus der Knechtschaft des Pharao in das gelobte Land. „Auch wenn es umstritten ist, ob es den Auszug je gegeben hat, ist er für unseren Glauben doch von Bedeutung“, sagt die Theologin. Dann spricht sie vom brennenden Dornbusch, aus dem heraus die Stimme Gottes Mose ruft. Gott brenne für sein Volk als „Liebesfeuer“, sagt sie. Mose sei neugierig gewesen und habe sich den Dornbusch näher angesehen. „Wie ist es mit uns, wenn wir etwas Unbekanntes sehen?“, fragt die Theologin. „Schauen wir hin, oder gehen wir weg?“ Mose habe auf Gott vertraut, „er, der Flüchtling, der den Auszug seines Volkes führen soll.“ Gott sei „kein wundersames Feuerspiel, das ehrfürchtig verehrt werden will.“ Gott sehe das Elend der Menschen. Um seinetwillen gebe es Befreiung aus „verhärteten Verhältnissen und genormten Abläufen“, sagt die Pfarrerin. „Und dabei gilt immer die Zusage Gottes: Ich werde mit Dir gehen.“ Benjamin Lassiwe

Gottesdienste in der Heilandskirche in Moabit: Jeden Sonntag, 11 Uhr. Die Gemeinde im Web: www.kgmoabit-west.de

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