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SONNTAGS um zehn: Schwein und Sein

Ein Gottesdienst zur Grünen Woche.

Die Säue suhlen sich im Dreck und drücken die Rüssel aneinander, als würden sie knutschen: So zeigt es der Film, den Werner Schwarz, Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes, in seinem eigenen Schweinemastbetrieb aufgenommen und online gestellt hat. Auch das sieht man: Säue, die abgetrennt voneinander in engen Käfigen liegen, so dass die Ferkel ihre Schnäuzchen durch die Gitterstäbe strecken müssen, um an die Zitzen heranzukommen. Die Mutter liege im „Ferkelschutzkorb“, damit sie die Ferkel nicht erdrücke, erklärt der Schweinebauer. Er will anderen Bauern mit dem Film Mut machen, die Ställe zu öffnen: „Wir haben nichts zu verbergen, und nur so gewinnen wir das Vertrauen der Verbraucher.“ Über eine Webcam kann man den Schweinen zuschauen.

Seitdem er seinen Stall öffentlich gemacht hat, habe er viel Zustimmung bekommen, aber auch viel Ablehnung, sagt Werner Schwarz. Er steht jetzt am Predigtpult in der Gedächtniskirche. In das blaue Oktogon sind an diesem Sonntag besonders viele Menschen gekommen, darunter Landwirte und Mitarbeiter aus landwirtschaftlichen Behörden. Es ist ein Gottesdienst zur Grünen Woche. Ein Biobauer liest aus der Bibel, Funktionär Schwarz und Pröpstin Friederike von Kirchbach predigen im Dialog, Bibelstellen und Lieder drehen sich um die Schöpfung, um das Gleichnis vom verlorenen Schaf, um Schuld und Vergebung. Eine Umfrage wird zitiert: 85 Prozent der Deutschen wollen, dass Bauern verantwortlich mit ihren Tieren umgehen, ein Drittel würde für Fleisch aus artgerechter Haltung mehr zahlen. „Die Nutztierhaltung ist ein Kompromiss”, sagt der Verbandsfunktionär. Darum müsse gerungen, und neue Erkenntnisse sollten einbezogen werden. Er appellierte er an Bauern wie Öffentlichkeit: „Lasst uns miteinander reden! Immer und immer wieder!“

Pröpstin von Kirchbach erinnerte an König David: Der Held aus dem Alten Testament lädt Schuld auf sich, indem er seinem Nachbarn die Frau ausspannt und den lästigen Gatten in den Krieg schickt. Aus der Geschichte könnten wir lernen, sagt von Kirchbach, dass wir alle schuldig werden. Sie appellierte an die Zuhörer, das eigene Handeln zu hinterfragen, sich einzumischen und den Mund für die Stummen aufzumachen. Zu diesen gehörten nicht nur Menschen am Rand der Gesellschaft, sondern eben auch Kühe, Schweine und künftige Brathähnchen. Claudia Keller

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