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SONNTAGS um zehn: Solidarität mit den Jesuiten

Ein nachdenklicher Gottesdienst in der Pfarrei St. Canisius am Lietzensee

Selbstvergewisserung im Glauben – das ist es, worum es hier heute beim Hochamt in St. Canisius, einen Steinwurf vom Lietzensee entfernt, geht. Bei den Gemeindegliedern der Jesuitenpfarrei in der Witzlebenstraße und noch mehr beim Prediger, Pater Bernhard Heindl selbst. Zu Beginn des Gottesdienstes begrüßt er die Gemeinde mit den Worten: „Schon letzten Sonntag haben wir an dieser Stelle gesagt, wie betroffen und beschämt wir über die Vorfälle in unserer Gemeinschaft sind. Wir entschuldigen uns bei den Opfern.“ Jetzt gehe es um Aufklärung und der müsse man die nötige Zeit geben. Das „Amen“ der Gläubigen nach der anschließenden Gebetsbitte um Vergebung und göttliches Erbarmen klingt sehr entschieden.

Trotzdem hat der sexuelle Missbrauch von Schülern durch Jesuitenpatres die gutbürgerlichen Charlottenburger schockiert. Aber, sagt eine junge Frau, die mit Mann und Baby die vorher stattfindende Familienmesse besucht hat, „man muss unterscheiden, was ein Orden macht und was eine Gemeinde leistet.“ Ihr Vertrauen in die zum Forum der Jesuiten gehörende Pfarrei sei ebenso wenig irritiert wie ihr Glaube.

Auf ganz so viel Gelassenheit der Gemeindeglieder setzt Prediger Heindl beim Hochamt nicht. „Wir wollen uns lösen von dem, was uns die letzten Tage so stark bewegt hat und uns notgedrungen und notwendigerweise weiter bewegen muss“, sagt er. Und zieht die Auslegung der Geschichte aus dem Lukas-Evangelium, wo Jesus am See Genezareth den Fischer Simon Petrus zu seinem Jünger macht („von jetzt an wirst du Menschen fangen“) als persönliche Berufungsgeschichte auf. Christliche Berufung sei es, eine existenzielle Verbindung mit Gott einzugehen, sagt der Pater. Der Wunsch, „mit allem, was ich bin, habe und kann, Gott Gehör zu verschaffen“. Bei ihm sei es keine spektakuläre Entscheidung gewesen und er habe lange bezweifelt, tatsächlich Menschenfischer zu sein.

Wie es kommt, dass man als Priester zum Moralapostel mutiere, dieser Mechanismus sei ihm selbst nicht klar. „Moral ist etwas Sekundäres“, stellt der Prediger fest, „hier drinnen aber muss Gott das Primäre sein.“ Und hinterher betont Pater Heindl, der der Leiter der Katholischen Glaubensinformation im Erzbistum Berlin ist, wieder, dass die Kirche für ihn ein heiliger Raum geistlicher Auseinandersetzung ist und eine Kanzel kein Ort für Moralpredigten. Die gibt es im selten transparenten, transzendenten Kirchenraum eh nicht. St. Canisius ist der gelungenste moderne Sakralbau der Stadt. Nebenan im Forum sitzen die Glaubensschule St. Ignatius und die Jesuitenflüchtlingshilfe. „Unsere Jesuiten sind so engagiert, die haben Unterstützung verdient“, sagt eine ältere Frau beim Rausgehen. Deswegen sei sie heute zum Gottesdienst gekommen, aus Solidarität. Gunda Bartels

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