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Berlin: Sonntags um Zehn: Vom Gewinn, mit den Armen zu teilen

Es ist ja ein beliebter Topos in christlichen Gottesdienstes, sich vor dem Sonntagsbraten oder gar vor dem Auspacken der üppigen Geschenke zu Weihnachten noch einmal kräftig selbstkasteiend an die Brust zu schlagen und spaßverderbend den Hunger in der Welt aufs Tableau zu bringen. Aber nun verliert natürlich eine an sich ganz richtige Sache nicht dadurch an Glaubwürdigkeit, das sie gelegentlich etwas zu plakativ oder wohlfeil an die Gläubigen gebracht werden soll.

Es ist ja ein beliebter Topos in christlichen Gottesdienstes, sich vor dem Sonntagsbraten oder gar vor dem Auspacken der üppigen Geschenke zu Weihnachten noch einmal kräftig selbstkasteiend an die Brust zu schlagen und spaßverderbend den Hunger in der Welt aufs Tableau zu bringen. Aber nun verliert natürlich eine an sich ganz richtige Sache nicht dadurch an Glaubwürdigkeit, das sie gelegentlich etwas zu plakativ oder wohlfeil an die Gläubigen gebracht werden soll. Denn es ist schließlich Fastenzeit und da ruft das bischöfliche Hilfswerk Misereor alljährlich zu Solidarität - sprich zum Teilen - mit den Armen und deshalb vielerorts auch Hungernden auf. Gestern wurde in der St. Hedwigskathedrale die diesjährige Aktion mit einem Gottesdienst eröffnet.

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Und weil auch das Fernsehen gekommen war, um die Messe live zu übertragen, war die Feier akkurat durchchoreographiert. Doch war der Gottesdienst durchaus auf den Anlass abgestimmt, und das bedeutete für die ansonsten ja immer sehr festlich abgehaltenen Hochämter ein etwas bescheideneres Auftreten. Als der Berliner Erzbischof Georg Kardinal Sterzinsky gemeinsam mit den Konzelebranten - unter anderem Erzbischof Pius A. Ncube aus Simbabwe und Kardinal Oscar Rodriguez aus Honduras - einzog, gab es keine festliche Musik von Chor und Orgel aus dem klassischen Repertoire, sondern ein eher folkloristisch angehauchtes Lied, gespielt von einer in bunt gewebte Ponchos gekleidete lateinamerikanischen Instrumentalgruppe.

Jugendliche verlasen Fürbitten und berichteten von Schulprojekten zum Thema Armut. "Hütten statt Häuser. Steine statt Wellblech. Hilfe statt Almosen", stand auf einem selbstgemalten transparent, das sie mit sich trugen. Und damit nahmen sie auch das Thema von Sterzinskys Predigt auf. Denn der hatte zu Beginn seiner Ausführungen das diesjährige Motto der Fastenaktion "Teilen mit Gewinn" gleich kritisch hinterfragt. "Wenn das geht, wer wollte dann nicht teilen", sagte er und fragte, ob damit auch die Stabilisierung des deutschen Rindfleischmarktes durch die Verteilung der Überschüsse in Hungergebiete gemeint sei. Oder gar das Abstoßen militärischen Geräts? Und als er den fragwürdigen Umgang der Banken mit Geld rügte, wäre es wohl interessant gewesen zu erfahren, was im Kopf des Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen vor sich ging, der auch am Gottesdienst teilnahm. Sein Fraktionschef Klaus Landowsky war nicht anwesend.

Sterzinsky vermied in seiner Predigt Belanglosigkeiten und vor allen Dingen auch jeden frömmelnden Hochmut. Teilen in Partnerschaft mache alle zu Gewinnern, sagte er schließlich und endete dann mit dem etwas niedlichen Bild von Wolffdietrich Schnurre, in dem die Blüte ihren Nektar nicht mit den Insekten teilen wollte und dafür ohne Samen und Frucht dahinwelkte.

"Der Gottesdienst war wunderschön", sagte der Hauptgeschäftsführer von Misereor, Prälat Josef Sayer, zum Abschluss und lud alle Besucher noch zum Empfang. Und tatsächlich war trotz Eucharistie für alle und obwohl St. Hedwig aus alle Nähten barst - wohl an die 100 Besucher mussten stehen - die Veranstaltung fernsehgerecht um Punkt 11 vorbei. Wenn sich doch der Hunger auch so leicht wegorganiseren ließe.

Alexander Pajevic

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