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SONNTAGS um zehn: Vorbilder ohne Grenzen

Männergottesdienst in der Gedächtniskirche.

Vieles ist unklar geworden im Leben von Männern. Sie denken partnerschaftlicher, wollen auch mal Schwäche zulassen dürfen und Gefühle zeigen. Manchmal scheint es, als sei Männlichkeit riskant geworden: Männer leben im Durchschnitt sieben Jahre kürzer als Frauen, drei Viertel aller Selbstmörder sind Männer, auch die meisten Mordopfer.

Als er 36 Jahre alt war, veränderte ein Autounfall das Leben von Hans-Peter Durst. Durch Verletzungen im Gehirn hat er bis heute Gleichgewichtsstörungen und Beinprobleme. Vor einem Monat gewann er bei den Paralympics in London die Silbermedaille im „Paracycling“, im Dreiradfahren. „Wenn das Ziel so groß ist, muss man eben manchmal die Schmerzen wegdrängen“, sagte er am Sonntag in der Gedächtniskirche. Dass er nie aufgegeben hat, hängt auch mit seinem Gottvertrauen zusammen. „Ich fühle mich von Gott beschützt. Das war schon immer so, der Unfall hat daran nichts geändert.“ Mit der Institution Kirche habe er es aber nicht so.

So geht es offenbar auch vielen anderen Männern. In den Kirchen kommen sie fast nur noch als Pfarrer und Bischöfe vor. Zwei von drei Gottesdienstbesuchern sind Frauen und 80 Prozent der Ehrenamtlichen. Um das zu ändern und besser auf die Lebenssituationen von Männern eingehen zu können, haben die Kirchen vor Jahren die „Männerarbeit“ gegründet – mit Wanderungen statt Bibelkreisen, sportlicher Herausforderung statt Glaubenskursen. Einmal im Jahr feiern sie einen „Männersonntag“ mit einem Gottesdienst. Mit Blasmusik und dem Thema: „Männliche Vorbilder – vorbildliche Männer“.

Hans-Peter Durst sieht sich nicht als das Vorbild, als das er zum Gottesdienst eingeladen ist. Er sei eher so etwas wie ein „Botschafter“ mit dem Anliegen: Gib dich niemals auf!

In der Predigt geht es um die Geschichte von dem reichen Jüngling aus dem Markusevangelium, der zu Jesus kommt und ihn mit: „Guter Meister“ anspricht. Jesus entgegnet, dass er weder so gut sei noch ein Meister, er will nicht zum Idol gemacht werden. Der Jüngling will ins Himmelreich. Mit den Geboten habe er kein Problem, sagt er, die halte er alle ein. Jesus ahnt, dass die Schmerzgrenze des Mannes woanders liegt und fordert ihn auf, sich von seinem Reichtum zu trennen. Vorbild sein, das habe eben immer etwas mit Grenzüberschreitung zu tun, sagte Prälat Bernhard Felmberg, Bevollmächtigter des Rates der Evangelischen Kirche. „Die Grenzen sind bei jedem woanders. Sie zu überschreiten, ist unbequem und schmerzhaft.“ Aber darum gehe es bei der Nachfolge Jesu. Helmut Schmidt sei erst dann zum Vorbild für viele geworden, als er die Grenzen der Parteilichkeit überschritten habe. Paralympics-Sportler überwinden ebenfalls Grenzen. „Jesu Leben war Grenzüberschreitung“, sagte Felmberg. „Er sprach auch dann noch von Liebe, als andere längst Hass säten.“ Durch seine Nachfolge würden wir selbst Vorbilder. Claudia Keller

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