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Berlin: Sonntagsspaziergang mit Bratwurst im Tunnel

Zehntausende erkundeten Nord-Süd-Verbindung

Jetzt oder nie: Das sagten sich gestern rund 60 000 Berliner und Brandenburger und machten sich auf den Weg zum neuen Tiergartentunnel, der eine Woche vor der offiziellen Eröffnung für sechs Stunden für Fußgänger passierbar war. Bereits um Punkt zwölf Uhr (zu dieser Zeit wurde der Tunnel geöffnet) tauchten an den beiden Einfahrten Kemperplatz und Invalidenstraße jeweils rund 3000 Spaziergänger in die Unterwelt ein.

Am Eingang Kemperplatz ging es zu wie bei einem kleinen Volksfest: Bei Bratwurst und heißem Schafskäse konnte man sich über technische Einzelheiten des Tunnels informieren. Dazwischen standen die grünen Verkehrsexperten Claudia Hämmerling und Michael Cramer. Sie erinnerten daran, dass „hier 390 Millionen Euro sinnlos vergraben wurden“. Beide trugen leicht verblichene T-Shirts mit der Aufschrift „Kein Tunnel“. Die hatten sie schon am 13. Oktober 1995 getragen bei der Grundsteinlegung mit dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl, als Umweltverbände und tausende Berliner ein Bauverbot forderten und damit vor Gericht scheiterten.

Kaum jemand interessierte sich allerdings gestern noch für die Auseinandersetzung, die damals um das teure Projekt geführt wurde. Den Besuchern ging es vor allem darum, das 2450 Meter lange Bauwerk zu besichtigen, in das 190 000 Kubikmeter Beton verbaut wurden und laut Infoblättchen mit 60 000 Quadratmetern Asphalt, 650 Kilometern Energiekabel, 1085 Tunnelleuchten, fünf Notausstiegen und 19 Fluchttüren versehen ist.

Zu denen, die sich über die Infoblättchen beugten, gehörte auch Peter Irmscher. Der 51-jährige Straßenbahnfahrer aus Potsdam war nach knapp 25 Minuten Marsch bis zum Hauptbahnhof allerdings nicht besonders beeindruckt: „Das war das, was ich erwartet hatte“, sagte er über die kurze Unterwelterfahrung. Auch andere Besucher teilen diesen Eindruck. „Ein zweckmäßiger Bau“, urteilt ein Besucher aus Hohenneuendorf, der sich ansonsten freut, dass es jetzt eine weitere Nord-Süd-Verbindung gibt.

Tatsächlich ist das unterirdische Erlebnis nicht besonders überraschend: Die zwei Spuren pro Richtung sind weder besonders schmal noch besonders breit, die Beleuchtung ist ausreichend und die Fluchtwege sind gut ausgeschildert. Zur Besichtigung freigegeben war gestern nur die Fahrtrichtung Nord-Süd. Auch durch die Fluchttüren konnte man nicht in die andere Tunnelhälfte hinüberhuschen, weil vor jeder der grün angestrichenen Durchgänge Sicherheitsleute postiert waren. Dafür waren aber die Türen, die nach außen führen, zu öffnen: Im Unglücksfall kann man beispielsweise in Höhe Straße des 17. Juni über eine Metalltreppe nach oben gelangen.

Einige Tunnelgänger beschäftigten sich gestern mit den Befürchtungen des ADAC, dass es an den Tunnelausfahrten Staus geben könnte. Ob sich diese Befürchtungen bestätigen, wird man bald wissen: Kommenden Sonntag um 14.30 Uhr wird der Tunnel für die Autofahrer geöffnet, und die Planer gehen davon aus, dass täglich 50 000 Fahrzeuge passieren werden.

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