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© Kai-Uwe Heinrich

Sonntagsverkauf: Jetzt wird streng nach Gesetz kassiert

Der Senat will keine Ausnahme für Sonntagsöffnung in Bahnhöfen zulassen. Bezirke sollen kontrollieren, ob sich Wildwuchs entwickelt hat. Am Hauptbahnhof werde nach Ansicht eines Senatssprechers auch künftig verkauft werden.

Trotz der Diskussion um den Sonntagsverkauf am Hauptbahnhof sieht der Senat keine Veranlassung, das geltende Ladenöffnungsgesetz zu novellieren. Senatssprecher Richard Meng sieht derzeit keinen gesetzlichen Handlungsbedarf. „Wenn sich in den vergangenen drei Jahren Wildwuchs entwickelt hat, dann muss der Bezirk eingreifen“, sagte Meng. Er plädiere für „Augenmaß“ beim Vorgehen gegen einzelne Händler. Am Hauptbahnhof werde auch künftig verkauft werden, ist er sich sicher. Laut Tagesspiegel-Informationen hatte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) die Bahn im vergangenen Monat auf die geltende Rechtslage hingewiesen.

Nicht nur am Hauptbahnhof, auch an unzähligen S- und U-Bahnhöfen sind Geschäfte aller möglichen Sparten durchgehend geöffnet. Laut Gesetz darf dort aber sonntags nur Reisebedarf verkauft werden. „Das gesamte Sortiment eines Supermarkts zählt sicher nicht dazu“, sagt Marie-Luise Dittmar, Sprecherin von Verbraucherschutzsenatorin Katrin Lompscher (Linke), auch nicht das eines Textilkaufhauses oder eines Designladens. Ausnahmen für Bahnhöfe sieht das Gesetz nicht vor, sondern nur für den Flughafen Tegel. Dass dort verkauft werden darf, hat laut Senat historische Gründe.

Weil sich Ende 2008 die Beschwerden von Arbeitnehmern gegen die Sonntagsöffnung am Hauptbahnhof gehäuft hatten, ermittelt nun das Landesamt für Arbeitsschutz (Lagetsi). Dass die Behörde erst drei Jahre nach Eröffnung des Bahnhofs tätig wird, erklärt Sprecher Robert Rath damit, dass das Amt aus Kapazitätsgründen nur noch nach Anzeigen Betroffener tätig werden kann. Jetzt seien gegen 15 Geschäfte Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet worden. Nach dem Hauptbahnhof werde man aus Gründen der Gleichbehandlung auch die anderen Bahnhöfe kontrollieren müssen. Laut Verdi-Handelsexpertin Erika Ritter gab es arbeitsrechtliche Probleme vor allem für Mitarbeiter der Supermärkte.

Mittes Bezirksbürgermeister Christian Hanke (SPD), zuständig für Hauptbahnhof und die Haltestelle Friedrichstraße, ist von der Debatte überrascht. „Mit dem wenigen Personal ist eine flächendeckende Kontrolle über die Einhaltung der Ladenöffnungszeiten gar nicht möglich“, sagt er. Der Bürgermeister plädiert für Sonderregeln an zentralen Orten in der Stadt, alles andere findet er „provinziell“.

Im Bezirk Tempelhof-Schöneberg gab es in den vergangenen Jahren offenbar Bemühungen, unrechtmäßigen Ladenöffnungszeiten an Sonntagen Einhalt zu gebieten – jedoch ohne Erfolg. „Die Sonntagsgeschäfte, die wir für gesetzeswidrig hielten, wurden vom Gericht als rechtmäßig anerkannt“, sagt Bezirksstadtrat Oliver Schworck (SPD). Seitdem falle es seinen Mitarbeitern schwer, zu entscheiden, welcher Laden sonntags verkaufen darf und welcher nicht.

„Der ganze Vorgang ist sehr seltsam“, sagt Fred Koltz, Geschäftsführer der Svarowski Boutique im Hauptbahnhof. Seine Ketten, Armreife und Armbanduhren darf er nicht als Souvenir und damit als Reisebedarf deklarieren, weil sie keinen „Berlinbezug“ haben. Anders verhielte es sich mit einem Berliner Kristallbärchen. Weil er seit 2006 trotzdem jeden Tag in der Woche aufhat, hat er nun ein Ordnungswidrigkeitsverfahren durch das Lagetsi am Hals. Ein Bußgeld von 50 Euro Strafe pro Mitarbeiter pro Tag könnte auf ihn zukommen. „Dabei wussten wir nicht, dass es keine Genehmigung gibt. Die Bahn hat uns damals gesagt, dass wir 365 Tage im Jahr öffnen können“, sagt Koltz. Allerdings werde im Mietvertrag auf die Gesetze hingewiesen. An Sonn- und Feiertagen mache Koltz bis zu 30 Prozent seines gesamten Umsatzes.

Auch die Berliner Verkehrsbetriebe sind irritiert: „Wir verfolgen die Diskussion mit großem Interesse“, sagt BVG-Sprecher Klaus Wazlak. „Wir haben in den vergangenen Jahren einige Bahnhöfe wie den Innsbrucker Platz für neue Geschäfte umbauen lassen“, weil man darauf vertraut habe, dass „Reisebedarf“ auch weiterhin flexibel ausgelegt wird. Von strengeren Kontrollen wäre nun auch die BVG betroffen.

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