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Ein offenes Ohr. Die Mitarbeiter des Kinder- und Jugendtelefons sind fast immer erreichbar.

© Uwe Steinert

Sorgen-Telefon: Bei Anruf Rat

In Berlin können sich Kinder und Eltern mit kleinen und großen Nöten an Sorgen-Telefone wenden Wird es brenzlig, hilft die Nummer des Kinderschutzes sogar rund um die Uhr.

Sobald die Mitarbeiterin des Berliner Kinder- und Jugendtelefons, Sonja Förster, den Hörer auflegt, klingelt das Telefon erneut. Der Rat über den heißen Draht ist bei Anrufern im Alter zwischen 10 und 18 Jahren stark nachgefragt: Mehr als 8000 Mal klingelte dort im vergangenen Jahr das Telefon.

Sechs Tage in der Woche können Kinder anonym die kostenfreie Nummer in Berlin wählen. Und die Palette an jugendlichen Problemen ist breit gefächert: Mobbing in der Schule, Streit mit der besten Freundin, Liebeskummer oder auch Stress mit den Eltern. „Wir können in schwierigen Situationen konkrete Beratungsstellen nennen und gemeinsam überlegen, an welchen Erwachsenen in seinem Umfeld sich das Kind wenden kann“, erklärt Sonja Förster den Dienst.

Die selbstständige Industriedesignerin ist eine von etwa 50 ehrenamtlichen Mitarbeitern, die sich den Fragen der Heranwachsenden stellen. In einer sechsmonatigen Ausbildung werden die Ehrenamtlichen auf ihren Einsatz vorbereitet. „Wir versuchen, Anregungen zu geben und mit den Kindern zusammen nach Lösungen zu suchen“, sagt Sonja Förster. Wenn die Eltern beispielsweise das Taschengeld nicht erhöhen wollen, fragt sie nach, ob das Kind sich vorstellen könnte, dass es dafür auch einen Grund gibt – und warum das Taschengeld nicht reicht.

Am häufigsten allerdings beantwortet die 31-Jährige Fragen rund um das Thema Liebe und Sex. „Manchmal komme ich mir vor wie das Dr. Sommer-Team aus der Bravo“, sagt sie lachend. Aber in der Pubertät sei das für Mädchen und Jungen nun mal das spannendste Thema und außerdem der Bereich, der die meisten Fragen aufwirft. Wie spreche ich den Jungen aus der Nachbarklasse an? Wie funktioniert das eigentlich mit der Verhütung? Während bei den Mädchen Verlieben und Beziehungen die Topthemen sind, geht es bei den Jungs eher um technische Fragen fürs erste Mal.

Neben der Hotline für Kinder steht in Berlin seit zwei Jahren mit dem Elterntelefon auch Erwachsenen eine erste Anlaufstelle für Fragen rund um das Kind zur Verfügung. 130 Eltern, Angehörige oder besorgte Bekannte nutzten im vergangenen Jahr die kostenlose Nummer für ein anonymes Gespräch. Die meisten Anrufer sind Eltern, die sich mit der Kindererziehung überfordert fühlen. Aber auch wegen schlechter Noten, schwierigen Freunden oder einer Trennungssituation rufen hauptsächlich Frauen an, um ihre Sorge loszuwerden. „Oft ist es schon eine Entlastung, dass sich jemand Zeit für sie nimmt“, sagt Jana Berwig vom Diakonischen Werk Berlin-Brandenburg. Die Einrichtung hat zusammen mit dem Verein „Nummer gegen Kummer“ das Kinder- und Jugendtelefon sowie die Elternhotline ins Leben gerufen. „Wir sprechen dann gemeinsam nicht nur an, was schlecht läuft, sondern auch, was gut funktioniert und ob es noch Hilfe von Nachbarn oder Vereinen geben könnte.“

Bei den Telefonaten beider Hotlines kommen gelegentlich auch schwere Missstände wie häusliche Gewalt oder sexueller Missbrauch zur Sprache. „Ich habe mich einmal lange mit einem Mädchen über Bauchschmerzen unterhalten, bevor sie damit herausgerückt ist, dass sie sexuell missbraucht wird“, erzählt Sonja Förster.

Diese Themen belasten auch die Helfer enorm. Um solche Anrufe verkraften zu lernen, treffen sich die Ehrenamtlichen unter psychologischer Leitung einmal im Monat zur Supervision, bei der schwere oder ungeklärte Fälle offen angesprochen werden. Wenn etwa der Verdacht besteht, dass Kinder misshandelt werden, werden auch das Jugendamt oder der regionale Krisendienst eingeschaltet.

Auch die Hotline Kinderschutz kümmert sich rund um die Uhr um schwere Verdachtsfälle. Anrufer können dort auf Wunsch auch anonym bleiben.

Als das Telefon bei Sonja Förster an diesem Tag erneut klingelt, geht es um einen vergleichsweise alltäglichen Konflikt: den Streit eines Mädchens mit den Eltern wegen Piercings und pinker Haare. Die Beraterin vom Kinder- und Jugendtelefon hört zu und fragt das Mädchen dann, warum ihm grell gefärbte Haare und Hautschmuck so wichtig sind. „Manchmal“, sagt Sonja Förster, „geht es in dem Alter doch einfach nur darum, sich auszuprobieren.“

Susanne Thams

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