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Zurück in der alten Rolle. Guido Brück ist der Hauptdarsteller im Kältehilfe-Kinospot der Berliner Stadtmission – und hat selbst lange auf der Straße gelebt.

© Björn Kietzmann

Soziales Engagement: Der Film, der aus der Kälte kam

Ein Werbespot für die Berliner Kältehilfe kommt in die Kinos. Der Star ist Guido Brück – ein ehemaliger Obdachloser.

Schneeflocken wirbeln um eine behaarte Nase. Guido Brück zieht seinen eleganten braunen Filzhut weiter in die Stirn. Aber die Jacke bleibt offen, einen Schal trägt der 56-Jährige nicht. Er ist abgehärtet. Brück läuft gerade im Schneegestöber über den Breitscheidplatz. Jetzt bleibt er kurz stehen, zeigt in Richtung Budapester Straße: „Da drüben habe ich früher geschlafen“, sagt er. „Aber die Bänke am Straßenrand sind nicht mehr da, ist ja schon ein paar Jahre her.“ Wenn es so kalt war wie jetzt, blieb er aber selten nachts auf der Straße, sondern suchte sich meist eine Notunterkunft. Guido Brück war lange obdachlos. Mehr als zehn Jahre ist seine Zeit auf den Straßen Berlins jetzt aber schon her. Heute arbeitet er als Leiter eines Second-Hand-Ladens der Berliner Stadtmission und ist ehrenamtlicher Küster der St.-Lukas-Kirche an der Bernburger Straße in Kreuzberg – und auf beide Tätigkeiten sehr stolz.

Doch vor kurzem hat er sich von seiner Vergangenheit einholen lassen: Er ließ sich einen zotteligen Bart wachsen, zog dreckige Klamotten an, hüllte sich in eine schmutzige Fleecedecke – und setzte sich so auf die Stufen der Gedächtniskirche. Zum Glück war alles nur Show: Brück hat ehrenamtlich die Hauptrolle in einem Werbespot für die Kältehilfe der Berliner Stadtmission übernommen, der bald in den Kinos laufen soll. „Das ist ein Stop-Motion-Film, der wird nicht mit einer Kamera gedreht, sondern aus Fotos zusammengesetzt“, sagt Brück. Das hat er gerade erst gelernt, als er für den 30-Sekunden-Spot des Berliner Regisseurs Robin von Hardenberg eine ganze Woche vor der Gedächtniskirche saß. Für den Film wird es so aussehen, als würde Eisschichten die Treppe hinaufkriechen und ihn einhüllen.

Der Spot soll zur Berlinale fertig werden, um für Spenden zu werben. „Für uns ist das so wichtig, um Menschen zu erreichen, die die Kältehilfe noch nicht kennen“, sagt Ortrud Wohlwend von der Berliner Stadtmission. Sie hofft, dass die Kinobesucher dann, bevor sie im Kino ihr Handy ausschalten, noch eine SMS-Spende losschicken.

Gerade werden die Nächte immer kälter, der Einsatz der Kältehilfe ist besonders gefragt. „Die Notübernachtung der Stadtmission ist brechend voll, wir nehmen weiterhin aber jeden auf“, sagt Wohlwend. „Dann wird es eben eng, damit niemand erfriert.“ Sie beobachtet, dass immer mehr Frauen in die Notübernachtung Lehrter Straße kommen. Auch die anderen Notübernachtungen in der Stadt seien zu mehr als 100 Prozent ausgelastet, teilt die Berliner Kältehilfe mit.

Auch wenn Brück schon lange nicht mehr in einer Notübernachtung schlafen musste, ist er mit seiner Lebensgeschichte genau der Richtige, um für Spenden für frierende Menschen ohne Zuhause zu werben. „Als ich noch gesoffen hab, da hab ich fünf Liter Bier am Tag weggeknallt.“ Und „wegen der Sauferei“ schaffte er es oft nicht, seine Miete zu bezahlen, immer wieder flog er aus Wohnungen. Aber immer wieder fand er auch Menschen, die ihm halfen. „Man schafft es nur durch die Hilfe, die einem angeboten wird. Man muss sie aber auch im Kopf annehmen“, sagt Brück. Das dauerte bei ihm eine ganze Weile. Vor zehn Jahren kam er zum ersten Mal in eine Notunterkunft der Stadtmission, dann in ein Übergangshaus. Dort fragte man ihn, ob er nicht ehrenamtlich mitarbeiten wolle, in der Bautruppe und als Wachdienst.

Aber es sollte noch einige Jahre dauern, bis er sein Leben wirklich in den Griff bekam: „Mein zweiter Schlaganfall, 2009, war der wirkliche Wendepunkt in meinem Leben. Seitdem bin ich gläubig. Als nach der Reha keine sichtbaren Folgen zurückblieben, da hab ich gemerkt, dass doch jemand ein Auge auf mich hat. Vorher hab ich denen in der Stadtmission immer gesagt, lasst mich mal in Ruhe mit Gott.“ Seitdem, sagt er, geht es ihm besser. Er sei ruhiger und gelassener geworden. Seit dem Schlaganfall, eine Folge seines Alkoholkonsums, ist er aber auch zu 50 Prozent schwerbehindert. Heute trinkt er kein Bier und keinen Schnaps mehr. Er hat sich auch das Kiffen abgewöhnt. Andere Drogen, sagt er, habe er nie angerührt: „Ich hab schon früh Freunde links und rechts deswegen sterben sehen wie die Fliegen.“

Im Schneegestöber auf dem Breitscheidplatz klingelt er jetzt beim „Foyer“, einer Seelsorge- und Beratungsstelle neben der Gedächtniskirche. „Können wir kurz reinkommen?“, fragt er. „Schön warm hier. Früher gab’s das nicht.“ Als der Breitscheidplatz noch sein Revier war. Manchmal vertrieb ihn die Polizei. „Ich störe das Stadtbild oder wat weiß ich – so genau weiß ich nicht mehr, was die auszusetzen hatten.“ Dann wich er in den Tiergarten aus.

Zum ersten Mal war er mit 16 obdachlos, lebte in Abbruchhäusern. Den Hang zum Alkohol hatte er schon früher mitbekommen, schließlich war er in der „Kneipe aufgewachsen“, in der seine Mutter arbeitete. Immerhin schaffte er später eine Ausbildung zum Maschinenschlosser und arbeitete einige Zeit auf dem Bau. Noch heute hat er einen gesetzlichen Betreuer für seine Geldangelegenheiten. „Ich habe aber nur ein Problem mit eigenem Geld. Mit fremdem, im Laden und bei der Vermietung der Räume in der Kirche, kann ich gut umgehen.“

- Wer kurzfristig Übernachtungsmöglichkeiten anbieten möchte, kann sich an das Kältehilfetelefon wenden, Tel. 81 05 60 425. Internet: www.kaeltehilfe-berlin.de

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