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Berlin: Sozialwohnungen sind den Mietern lieb – und zu teuer Wie sich Bewohner gegen die Erhöhungen der Degewo wehren

Am Ende sind sie doch noch laut geworden, sind von ihren Stühlen aufgesprungen und haben ihre Wut herausgerufen – die Mieter der Sozialbauwohnungen in der Passauer und Augsburger Straße in Charlottenburg. „Mit uns kann man es ja machen“ und „Wir wollen nicht ausziehen“, rufen sie.

Am Ende sind sie doch noch laut geworden, sind von ihren Stühlen aufgesprungen und haben ihre Wut herausgerufen – die Mieter der Sozialbauwohnungen in der Passauer und Augsburger Straße in Charlottenburg. „Mit uns kann man es ja machen“ und „Wir wollen nicht ausziehen“, rufen sie. Hartmann Vetter versucht, die Leute zu beruhigen. „Das bringt doch nichts“, sagt er immer wieder. Vetter ist der Vorsitzende des Berliner Mietervereins und hat die Versammlung organisiert. Er sitzt auf dem Podium, umrahmt von holzgetäfelten Wänden und beigefarbenen Vorhängen. Fassungslos schaut er auf die aufgebrachten Mieter, so als ob er nicht verstehen könnte, wie 80 Menschen, die ihm eben noch brav zugehört haben, plötzlich so laut werden können.

„Das ist doch eine Frechheit“, zischt Regina Schubert. Frau Schubert wohnt in der Passauer Straße 10 – noch. Sie wird wohl ausziehen, weil sie sich künftig die Miete für ihre 50 Quadratmeter-Wohnung nicht mehr leisten kann. Denn zum Ersten diesen Monats hat die Wohnungsbaugesellschaft Degewo die Miete verdoppelt. Statt 4,81 Euro pro Quadratmeter sind jetzt 8,13 Euro fällig. „Wir mussten so reagieren, nachdem das Land Berlin die Anschlussförderung für den sozialen Wohnungsbau gekappt hat“, erklärt Degewo-Vorstand Thies-Martin Brandt. „Die Mieterhöhung ist moderat“, sagt er. Schließlich hätte man für alle 156 Wohnungen laut Mietspiegel bis zu 12 Euro pro Quadratmeter fordern können. Der neue Mietpreis gilt allerdings nur für die kommenden drei Jahre. „Danach müssen wir neu entscheiden“, sagt Brandt. Er gehe aber nicht davon aus, dass dann der Höchstsatz verlangt werde.

Regina Schubert nutzt diese Rechnung der Degewo wenig. Sie verdient als Serviererin etwa 700 Euro netto im Monat. „556 Euro Miete sind da nicht drin“, sagt sie. Eigentlich wollte die 59-Jährige in diesem Jahr mit dem Kellnern aufhören, weil sie an der Hand operiert wird. Doch statt in den vorgezogenen Ruhestand geht sie jetzt zum Sozialamt. „So lange ich noch keine neue Wohnung gefunden habe, unterstützen die mich monatlich mit 270 Euro“, erzählt Frau Schubert.

So weit wie Regina Schubert sind die meisten Bewohner der Passauer und Augsburger Straße noch nicht. Sie wissen nicht, ob sie Anspruch auf Unterstützung haben. Deshalb sitzt Gabi Mohr von der Beratungsgesellschaft für Stadterneuerung und Modernisierung (BSM) auf dem Podium. Sie erklärt, dass teilweise das Land Berlin einspringt. Verdiene ein Mieter so wenig, dass er ein Recht auf Bezug einer Sozialbauwohnung hat, übernehme das Land 90 Prozent der Mieterhöhung, sagt sie. Dieser Zuschuss wird jedoch nur auf fünf Jahre bewilligt und jährlich um 20 Prozent abgebaut. „Und dann steh’ ich wieder alleine da“, sagt Maria Schmitt, eine rundliche Frau mit grauem Zopf. Ihr ist das zu unsicher, deshalb hat sie ihre Wohnung gekündigt. „So kann ich wenigstens noch das Sonderkündigungsrecht in Anspruch nehmen“, sagt sie. Das gilt bis Ende Juli. Wer bis dahin gekündigt hat, muss die Mieterhöhung nicht zahlen, dafür aber binnen zweier Monate die Wohnung geräumt haben.

15 Jahre hat Maria Schmitt in der Passauer Straße 12 gelebt, nun sucht sie ein neues Zuhause. „Hier ist mein Lebensmittelpunkt, meine Freunde, meine Ärzte, meine Kirche“, sagt sie leise. Dann springt sie auf: „Wir müssen uns wehren.“ Als keiner reagiert, setzt sie sich wieder hin. Zuhause auf ihrem Wohnzimmertisch liegt ein Brief, den sie an Bausenator Peter Strieder geschrieben hat. All ihre Angst und Wut hat sie da rein gepackt. Daneben liegt ein Zeitungsstapel mit Wohnungsanzeigen.

Dagmar Rosenfeld

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