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Fallen da die Äuglein zu? Wenn die Schule später beginnt, dauert sie natürlich länger – und das könnte auf Kosten der Freizeitgestaltung am Nachmittag gehen.

© Kitty Kleist-Heinrich

Späterer Unterrichtsbeginn: Ausschlafen? Nein danke!

Der prämierte Lehrer Robert Rauh will, dass die Schule später beginnt. Er stößt damit aber auf Zurückhaltung. An der John-Lennon-Schule durften Schüler bereits vor Jahren darüber abstimmen - und waren dagegen.

Eigentlich doch eine schöne Vorstellung: Statt sich in aller Herrgottsfrühe auf den Weg zur Schule machen zu müssen, darf man im Bett bleiben und sich noch einmal in Ruhe umdrehen. Und hat dabei die Schlafforschung auf seiner Seite. Einer deren bekanntester Vertreter, Jürgen Zulley, plädiert seit Jahren dafür, in Deutschland den Unterricht später, nämlich frühestens um neun Uhr beginnen zu lassen. „Gegen acht Uhr sind Jugendliche etwa so leistungsfähig wie um Mitternacht“, sagt Zulley.

Allerdings ist für Zulley klar, dass man den Unterricht nicht einfach nur verschieben kann, sondern es eine vernünftige Mittagspause geben muss, an die sich dann die Nachmittagsstunden anschließen. Jetzt hat wie berichtet der Berliner Pädagoge Robert Rauh, der gerade erst als „Lehrer des Jahres“ ausgezeichnet wurde, vorgeschlagen, es den Schulen freizustellen, wann zwischen 8.30 und 10 Uhr der Unterricht beginnen soll.

Landeselternsprecherin Lieselotte Stockhausen-Döring hält das für eine gute Idee: „Das entspricht dem Stand der Forschung.“ Sie verweist auf die anglophonen Länder, in denen es seit langem üblich ist, den Unterricht später am Morgen zu beginnen. Aber jede Schule solle selbst entscheiden dürfen. „Von einer Zwangsbeglückung halte ich nichts“, sagt Stockhausen-Döring.

Die Schüler des John-Lennon-Gymnasiums in Mitte hatten vor dreieinhalb Jahren diese Wahl. Aber sie stimmten mit einer großen Mehrheit von 70 Prozent dagegen. Ihnen war bewusst geworden, dass ein späterer Start eine Verschiebung des Unterrichts in den späten Nachmittag hinein mit sich bringt. „Sie hatten das Gefühl, dass sie weniger Freizeit haben würden, da sie die Stunde am Morgen entweder länger geschlafen oder vertrödelt hätten“, sagt Direktor Jochen Pfeifer. Außerdem wären viele außerschulische Aktivitäten nicht mehr möglich gewesen, da Vereine oder Musikschulen auf die bisherigen Zeiten eingerichtet sind. In anderen Schulen gab es ebenfalls Diskussionen oder sogar kurzzeitige Praxistests, die dann aber beendet wurden. Den Schülern war ein früheres Nachhausekommen letztlich wichtiger, berichtet etwa Jens Großpietsch von der Moabiter Heinrich-von-Stephan-Schule.

„Vom Biorhythmus her ist ein späterer Anfang bestimmt vernünftig“, sagt die GEW-Vorsitzende Sigrid Baumgardt. Aber sogar zehn Uhr als Unterrichtsstart zuzulassen hält sie für problematisch, da dann der Unterricht vor allem am Gymnasium bis in den frühen Abend ginge. Außerdem müsse man bei einer Entscheidung auch beachten, wie viele Kinder in die Frühbetreuung vor Unterrichtsbeginn gehen. Diese hätten keine Vorteile.

In Berlin können die Schulkonferenzen über den Beginn entscheiden. In der Regel startet der Unterricht zwischen 7.45 und 8.15 Uhr. Für Kinder, die eine gebundene Ganztagsschule besuchen, gilt allerdings eine Anwesenheitspflicht zwischen acht und 16 Uhr.

Viel Zuspruch bekommt Rauh für seinen Vorschlag, die Schulen mit Schulmanagern und Netzwerkbetreuern auszustatten. „Früher gab es das an Gesamtschulen schon mal, aber die Stellen wurden gestrichen“, erinnert sich Klaus Brunswicker von der Schöneberger Sophie-Scholl-Schule. An diesem Punkt gibt es allerdings wieder ein Umdenken: Für 2014/15 sind 24 Stellen für Verwaltungsleiter vorgesehen, womit eine Forderung aus der Koalitionsvereinbarung eingelöst wurde. Eigentlich sollen alle Schulen Hilfe erhalten – die 24 Stellen sind nur ein bescheidener Anfang.

Auch mit seiner Forderung nach entschlackten Lehrplänen steht Rauh nicht allein da. Viele Schulen lassen schon jetzt Inhalte weg, weil sie das vorgeschriebene Pensum nicht schaffen. Damit bewegen sie sich in einer rechtlichen Grauzone.

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