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Berlin: Sparen ist das einzige Projekt des neuen Senats

Mit der neuen Steuerschätzung hat sich der finanzielle Handlungsspielraum Berlins weiter verengt. Die Stadt muss in diesem Jahr mit 441 Millionen Mark weniger auskommen als bisher geplant.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Mit der neuen Steuerschätzung hat sich der finanzielle Handlungsspielraum Berlins weiter verengt. Die Stadt muss in diesem Jahr mit 441 Millionen Mark weniger auskommen als bisher geplant. Im Jahr 2002 sind sogar Steuerausfälle von 953 Millionen Mark zu erwarten. Damit vergrößert sich die Finanzlücke im kommenden Haushaltsjahr auf 10,2 Milliarden Mark. "Die ohnehin dramatische Lage wird zusätzlich verschärft", kommentierte Finanzsenatorin Christiane Krajewski die jüngsten Zahlen. Am Sonntag treffen sich die Koalitionspartner SPD, FDP und Grüne, um über die Finanzsituation zu beraten.

Zum Thema Online Spezial: Berlin hat gewählt "Ich weiß gar nicht, worüber die drei Parteien noch verhandeln wollen; es ist eh kein Geld mehr da", spottete gestern der Haushaltsexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Dieter Vesper.Vesper geht längst davon aus, dass die Bundesregierung bei der Sanierung des Landeshaushalts helfen muss. "Das kann nicht mehr lange dauern." Auch die Grünen sehen sich jetzt in ihrer Einschätzung bestärkt, dass der Berliner Etat ohne milliardenschwere Sanierungszuschüsse des Bundes nicht mehr ausgeglichen werden kann. Am Jahresende muss Senatorin Krajewski, die neue Steuerschätzung eingerechnet, mit einem Fehlbetrag von fast vier Milliarden Mark rechnen. 2002 ist ein Finanzloch von zehn Milliarden Mark und 2003 von mehr als elf Milliarden Mark zu schließen. Der Senat wird mehr neue Schulden aufnehmen müssen als ursprünglich vorgesehen.

Krajewski kündigte gestern an, die bestehende Haushaltssperre in den nächsten Monaten bis zur Verabschiedung des Landeshaushalts 2002 aufrecht zu erhalten. Außerdem muss die Finanzplanung von der neuen Regierungskoalition kräftig korrigiert werden. Dass Berlin unter der schlechten Konjunkturlage besonders zu leiden hat, lässt sich besonders gut an den Gewerbesteuereinnahmen ablesen, die in diesem Jahr um 10,4 Prozent zurückgehen. Mehr als im Bundesdurchschnitt. Berlin muss also weiter sparen und hat auch schon in den vergangenen Jahren die öffentlichen Ausgaben kräftig verringert. Sie wurden seit 1995 um vier Milliarden Mark gesenkt. Aber von diesem schönen Konsolidierungserfolg wurden 1,6 Milliarden Mark durch höhere Zinsausgaben gleich wieder aufgefressen. Denn der Schuldenberg wächst und wächst. Bis zum Jahresende auf 75 Milliarden Mark. Das sind 22 300 Mark "Miese", die auf den Schultern jedes Berliner Bürgers lasten. Dennoch liegen beispielsweise die Personalausgaben in Berlin pro Kopf immer noch höher als im wohlhabenden Hamburg, als Stadtstaat wie Berlin und zweitgrößte Metropole in Deutschland ein Vergleichsmaßstab.

Wo lässt sich überhaupt noch sparen? Geheime Rezepturen zur Genesung der Not leidenden Stadt gibt es nicht, aber: Die Streichung von 15 000 Stellen im öffentlichen Dienst soll bis 2006 eine Milliarde Mark einsparen. Eine Reform der Sozialämter und der staatlichen Arbeitsmarktförderung könnte den Landesetat um dreistellige Millionenbeträge entlasten. Die Hochschulmedizin wird einen kräftigen Sparbeitrag leisten müssen. Über eine Privatisierung der Freien Universität wird noch gestritten. Ebenso über eine Neuorganisation der Polizei, der Gerichte und der Staatsanwaltschaften.

Die öffentlichen Gebäude werden schlecht gemanagt. Dadurch gehen jährlich zwei- bis dreistellige Millionensummen verloren. Bundes- und Europamittel könnten besser ausgenutzt werden, indem der Senat die öffentlichen Förderprogramme überprüft und strafft. Die Kooperation zwischen Opern, Theatern, Museen und Kunsthochschulen ist nicht optimal organisiert. Über die Schließung eines Krematoriums wird nachgedacht. Auch über die Einstellung von Lottomitteln in den Haushalt. Die Erhöhung der Lehrer-Pflichtstundenzahl ist nicht vom Tisch und auch im Sozial- und Betreuungsbereich wird Berlin dazu kommen müssen, seine Standards an die Werte anderer Großstädte anzugleichen. Insgesamt ließen sich die Ausgaben noch um 2,5 bis drei Milliarden Mark senken.

Darüber hinaus muss der Senat restliches "Tafelsilber" verkaufen. Dazu gehören die Bankgesellschaft, städtische Wohnungsunternehmen, die Flughafengesellschaft, die Feuersozietät, die Hafengesellschaft, der Großmarkt und die Messegesellschaft. Ob Teilprivatisierungen der Stadtreinigung oder der BVG sinnvoll sind, wird kontrovers diskutiert. Seit 1996 wurde für 15,6 Milliarden Mark Landesvermögen verkauft; mehrere Milliarden lassen sich noch mobilisieren.

Eine Erhöhung der Gewerbe- und Grundsteuer als Einnahmequelle ist momentan tabu. Aber mit dem Bund wird über die Aufstockung hauptstadtbedingter Zuwendungen für innere Sicherheit, Kultur und Verkehr sowie die Übernahme der Sanierungskosten auf der Museumsinsel und teilungsbedingter Lasten (Wohnungsbauförderung) verhandelt. Unter günstigsten Umständen lassen sich die Einnahmen also noch um vier oder fünf Milliarden Mark erhöhen. Dann fehlen immer noch ein bis zwei Milliarden Mark pro Jahr, um den Etat auszugleichen. Das erklärte Ziel, ab 2009 keine neuen Schulden mehr aufzunehmen, rückt allmählich außer Sichtweite.

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