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Berlin: Sparen ist nicht abendfüllend

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Müller will, dass die Koalition jenseits von Sarrazin neue Schwerpunkte setzt – vor allem Bildung und Wissenschaft

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Michael Müller fordert die eigene Partei zu einem politischen Kurswechsel auf. Sparmaßnahmen und Haushaltskonsolidierung seien zwar notwendig, aber „sie dürfen nicht Schwerpunkte unserer Diskussionen bilden und nicht der einzige Bereich sein, mit dem wir politisch identifiziert werden“, sagte er im Gespräch mit dem Tagesspiegel.

Absolut vorrangig, so Müller, müsse die Bildungs- und Wissenschaftspolitik sein. Bisher sei nicht richtig deutlich geworden, dass sich die SPD/PDS-Koalition dafür jetzt schon stark engagiere. Daneben müsse alles Vorrang haben, „was Arbeitsplätze schafft“. Berlin brauche ein investorenfreundliches Klima. Und die Verwaltungsreform – einschließlich der Abschaffung von Gesetzen und Verordnungen – müsse beschleunigt werden. Alle diese Schwerpunkte, nicht zu vergessen die Kultur, müssten endlich „mit Leben erfüllt werden“, sagte Müller. Dann werde auch die Rolle Berlins als Hauptstadt, Kultur- und Wissenschaftsmetropole deutlicher erkennbar werden.

Nach dem Bruch der großen Koalition sei die SPD mit dem Versprechen zur Wahl angetreten, die drängenden Haushaltsprobleme der Stadt zu lösen, erinnerte der SPD-Fraktionschef. Dieses Versprechen werde auch eingelöst. „Aber Finanzpolitik allein trägt nicht über fünf Jahre.“ Müller will diese „politische Wende“ mit der SPD-Abgeordnetenhausfraktion vorantreiben. Auf einer Klausurtagung Ende Januar in Leipzig werden sich die SPD-Parlamentarier mit der Bildungs- und Jugendpolitik, der Arbeitsmarktförderung und mit den Folgen der EU-Erweiterung für Berlin beschäftigen.

Müller wollte diese Debatte eigentlich schon im Oktober 2003 einleiten, aber das Urteil des Landesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit des Berliner Haushalts hatte diese Bemühungen vorerst gestoppt. Jetzt soll ein neuer Anlauf gemacht werden. Und so wird auch ein Brief Müllers an alle SPD-Abgeordneten vom Spätherbst des vergangenen Jahres wieder aktuell, in dem er „eine notwendige neue Schwerpunktsetzung für die nächsten drei Jahre“ forderte. Die damalige Einschätzung des Fraktionschefs, dass „unser geschlossenes Auftreten in der Stadt positiv wahrgenommen“ wird, stimmt heute allerdings nur noch bedingt.

Denn nicht nur Müller macht sich Sorgen wegen der schlechten Umfragewerte für die Berliner Sozialdemokraten. Seit Oktober 2003 ist die Landes-SPD in allen Meinungsumfragen deutlich unter die 30-Prozentmarke abgerutscht, die sie vorher – seit den Abgeordnetenhauswahlen im Dezember 2001 – einigermaßen behaupten konnte. Zurzeit erreicht die SPD maximal 25 Prozent. Dabei spielt nach parteiinterner Einschätzung nicht nur der Bundestrend (die Auswirkungen der Reform- und Steuerdiskussion) eine Rolle. Die schlechten Werte sind, das gibt Müller zu, auch hausgemacht. „Allein die Erhöhung der Kitagebühren wird uns zwei bis drei Prozentpunkte gekostet haben.“ Das spektakuläre Urteil des Verfassungsgerichts zum Haushalt und die Probleme der Hochschulen, die Studentenstreiks zur Folge hatten, zeigten wohl ebenfalls Wirkung.

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