zum Hauptinhalt

Berlin: Sparen, umziehen – oder auswandern?

DasEhepaarRötzerwirdArbeitslosengeldIIerhalten Das bedeutet: monatlich 140 Euro weniger Bezüge

Christian und Annette Rötzer haben jetzt Gewissheit. Am Donnerstag haben die beiden ihren Bescheid über das Arbeitslosengeld II bekommen. Das Ergebnis ist für sie nicht überraschend, aber dennoch ernüchternd, weil sie es zum ersten Mal Schwarz auf Weiß sehen. Ab Januar werden die Rötzers genau 140 Euro weniger zur Verfügung haben als bisher. Das Ehepaar erhält künftig pro Person jeweils 311 Euro zum Leben und 580 Euro für die Wohnungswarmmiete. Noch bekommt Annette Rötzer 802 Euro Arbeitslosenhilfe, ihr Mann 540 Euro.

Vermögen, das angerechnet werden musste, ist nicht vorhanden. „Ich habe meine Lebensversicherung in den letzten Jahren schon aufgelöst“, sagt Christian Rötzer, gelernter Groß- und Außenhandelskaufmann, von der Arbeitsagentur zum Bürokaufmann umgeschult. Schon seit vier Jahren ist der 41-Jährige arbeitslos. Auch andere Versicherungen hat er gekündigt. Seine Frau Annette (53), als gelernte Hauswirtschafterin seit drei Jahren ohne Job, brauchte ihre Kapitallebensversicherung deswegen nicht mehr aufzugeben. Sie liegt innerhalb der Freibeträge für die beiden. Gedanken machen sie sich aber, ob sie nicht doch irgendwann umziehen müssen. Ihre Charlottenburger Wohnung ist gut 70 Quadratmeter groß; 60 Quadratmeter gelten nach den Vorschriften für das Arbeitslosengeld II für einen Zwei-Personen-Haushalt als angemessen. Zudem ist die Miete höher. Für das erste Halbjahr hat die Sozialverwaltung allerdings angeordnet, sämtliche Mietkosten anzuerkennen. Doch die Frage, ob sie nach dem 1. Juli aus ihrer Wohnung ausziehen und sich eine kleinere und billigere Wohnung suchen müssen, beunruhigt sie.

Der Haushalt der Rötzers ist einer von den rund 260000 in Berlin, die unter die Regelung von HartzIV fallen. Da die beiden ihren Antrag auf Arbeitslosengeld frühzeitig abgegeben hatten, erhielten sie jetzt als eine der ersten Familien in Berlin den Bescheid. Gut ein Viertel der Betroffenen hat den Antrag allerdings noch nicht an die Sozialämter oder Arbeitsagenturen zurückgeschickt. Um diesen Arbeitslosen beim Ausfüllen der Formulare zu helfen oder sie zu beraten, veranstalteten die Arbeitsagenturen am Sonnabend einen Aktionstag. Bei der Agentur in Mitte war das Interesse nicht besonders groß. Bis Mittag waren erst rund 120 Hilfesuchende gekommen.

Das Ehepaar Rötzer will sich mit dem ArbeitslosengeldII eigentlich nicht zufrieden geben. „Ich will arbeiten – und zwar bis 65“, sagt Annette Rötzer. Doch in Berlin sieht sie für sich und ihren Mann keine realistischen Möglichkeiten mehr. Immer wieder haben sie Bewerbungen verschickt, immer haben sie nur Absagen erhalten. Deswegen nutzen sie gestern die von der Arbeitsagentur Mitte angebotene Möglichkeit, sich beim Aktionstag nach Beschäftigungsmöglichkeiten im Ausland zu erkundigen. „Wir sind inzwischen bereit, aus Deutschland wegzugehen“, sagt Christian Rötzer. Naheliegend wäre Österreich, da Rötzer gebürtiger Österreicher ist, aber seit der Kindheit in Berlin lebt. Dort werden etliche Jobs in der Gastronomie und Hotellerie angeboten, allerdings nur für Saisonkräfte. Am Sonnabend gab es für die beiden erst einmal nur allgemeine Informationen; bei einem Temin in der kommenden Woche wollen sie sich genauer erkundigen, was für Chancen es gibt – außerhalb Deutschlands.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false