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Berlin: Sparen und staunen

Lesen? Vorbei, schlagartig!

Lesen? Vorbei, schlagartig! Die erste Reaktion im Waggon: Wer hat das Licht ausgemacht ? Ein Blick durch den S-Bahn-Wagen zeigt: Nee, da hat einer das Licht einfach nicht angemacht. Das einzige, was noch leuchtet, sind Smartphone-Bildschirme der Fahrgäste und die Anzeige, auf der steht, welche Stationen die Bahn demnächst anfährt. Mit anderen Fahrgästen fragende Blicke zu wechseln ist unmöglich, da man die eigene Hand nicht mehr vor Augen sieht. Stand nicht gerade in der Zeitung, dass die S-Bahn wieder Gewinn einfahren möchte? Was wäre, wenn das hier geplant ist, als erstes sichtbares Zeichen sozusagen? Besser: Als erstes unsichtbares Zeichen. Oder handelt es sich hier um ein Pilotprojekt namens „Light on demand“, neudeutsch für „Licht auf Nachfrage“ – um zu testen, wie lange es dauert, bis die Fahrgäste nach Licht fragen?

Ökonomisch macht das Sinn. Nehmen wir mal an, jede S-Bahn fährt bis zur ersten Station nach Anfang des Tunnels ohne Innenbeleuchtung. Danach sagen die Passagiere ja dem Fahrer wahrscheinlich Bescheid und er macht das Licht an. Macht also etwa zwei Minuten weniger Licht für sechs bis acht Wagen à sechs Züge pro Stunde weniger. Bei derzeit 16,5 Stunden Tageslicht sind das am Tag 99 Züge mit bis zu 792 Wagen, die jeweils zwei Minuten Licht sparen, also ... auf jeden Fall ziemlich viel Strom weniger.

Unsere Bahn fährt derweil weiter in die Dunkelheit. Draußen im S-Bahn-Tunnel werden zahllose verschlungene Graffiti sichtbar, die sonst verborgen bleiben, Pfeiler, Gleise, die rechts und links abgehen, eine unterirdische S-Bahn-Autobahn mit tief hängenden Decken. Es ist ganz still im Wagen. Als das Licht der nächsten Station in den Wagen hineingleißt, wünscht man, die Dunkelfahrt hätte etwas länger gedauert.

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