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Sparpaket: Schloss mit offenem Schluss

Nach dem ersten Schock machen die Schlossbauherren unbeirrt weiter.

Die Adler lassen sich nicht beirren. Sie hocken, in Ton und Gips, in den Weddinger Uferhallen. Sie blicken auf die Barockbaustelle ringsum, auf sechs Modellbildhauer, die seit Jahren Ornamente, Kapitelle, Figuren und Skulpturen für den Neubau des Stadtschlosses rekonstruieren – eine Herkulesaufgabe. Von 300 Figuren und Einzelteilen sind schon über hundert fertig, schließlich möchten die Steinbildkünstler im Zeitplan bleiben.

Doch nun ist alles anders. Der Baubeginn wurde von der Regierung um drei Jahre verschoben, aber wer weiß schon, ob 2014 gerade Ebbe oder Flut in Deutschlands Kassen herrscht und wer dann überhaupt am Ruder ist. Doch von Resignation ist hier wenig zu spüren – der Elan für die Schlossfigurationen scheint kein Opfer der Streichliste geworden zu sein: „Wir haben mal kurz innegehalten“, sagt Bildhauer Matthias Körner, „aber dann gleich weitergemacht, denn wir leben hier von Leidenschaft, Akribie und Geduld.“ Wenn man jeder wechselnden Stimmung nachgegeben hätte, „dann wäre ich längst nach Hause gegangen“. So aber bleiben sie trotzig zwischen ihren Figuren, nun gerade, schließlich arbeiten sie seit acht Jahren fürs Schloss und haben feste Verträge mit der Regierung.

Die Architekten Rupert und York Stuhlemmer haben jahrelang auf der Basis von Glasplattennegativen vom Schloss, außen wie innen, das gesamte Planmaterial neu geschaffen, dem Bund als Bauherren und dem Architekten Stella und seinen deutschen Mithelfern zur Verfügung gestellt. Der 72-jährige Seniorchef hat zehn Jahre Arbeit in das Projekt gesteckt, „nun wird hier mein Lebenswerk zerstört“, es sei wie eine Vollbremsung, „eine riesige Fehlentscheidung und Augenauswischerei aufgrund einer Milchmädchenrechnung“, denn der Baubeginn wäre ein Motor für mittelständische Wertarbeit gewesen. Stuhlemmer: „Das Schloss liegt mir am Herzen, aber im Moment mehr auf der Galle.“

Auch Pro-Schloss-Kämpfer Wilhelm von Boddien ist sauer. Sein Projekt sei nun eine Art Bauernopfer. Der Bundestag habe einst den Schlossbau zum Gesetz gemacht, und nun wird es in die nächste Legislaturperiode verschoben. Geht denn das einfach so?, fragt Boddien und möchte neue Strategien entwickeln, damit das Spenderverhalten nicht beschädigt wird.

Bislang haben 12 000 Menschen 13 Millionen Euro gespendet – 80 Millionen möchte der Förderverein einsammeln. „Wer seit 20 Jahren für so ein Projekt kämpft, der kämpft weiter!“, sagt der Oberschlossbaumeister, und ebenso klingt es beim Förderverein in der provisorischen Aussichtsbox am Schlossplatz: „Wir schlagen uns nicht in die Büsche“, sagt Eckehard Liedmann, „Volkes Stimme, nicht aufzugeben, macht uns Mut“. Die Baukammer Berlin droht dem Bund gar mit Schadenersatz, spricht von einem unverantwortlichen und kleinlichen Beschluss der Bundesregierung. Chefarchitekt Franco Stella bedauert die Verschiebung, die wohl „im Zusammenhang mit den heutigen Sparzwängen mehr für ihre symbolhafte Bedeutung als für eine effektive Wirkung getroffen wurde“. Derweil erinnert Matthias Körner zwischen den Gipsadlern an deren preußischen Wahlspruch „Nec soli cedit“ – nicht einmal der Sonne weicht er!Lothar Heinke

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