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Guten Morgen, Berlin. Über Facebook hält Erol Özkaraca Kontakt mit Freunden und politischen Weggefährten.

© privat

SPD-Abgeordneter in der Türkei: Moin aus Istanbul

Der Sozialdemokrat Erol Özkaraca ist seit dem versuchten Putsch in der Türkei. Und meldet sich von dort immer wieder kritisch zu Wort.

Für Erol Özkaraca ist Istanbul, die Metropole am Bosporus, zurzeit sehr klein. Im wesentlichen beschränkt sich der Bewegungsradius auf die eigenen vier Wände sowie kleinere Ausflüge in die Geschäfte in der Nachbarschaft. Kontakte hält Özkaraca über Telefon und Internet zu seinen Freunden und Verwandten – in Deutschland ebenso wie in der Stadt. „Gestern haben wir das erste Mal so etwas wie Urlaub gemacht. Wir haben Freunde getroffen, gegessen und gefeiert“, sagt Özkaraca am Sonntag am Telefon.

Der 52-jährige SPD-Abgeordnete aus Neukölln ist seit zehn Tagen in Istanbul. Er kam genau in dem Moment an, als an jenem Freitagabend Teile der türkischen Armee versuchten, gegen Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan und seine Regierungspartei AKP zu putschen. Statt Taxis und Busse, die ihn vom Flughafen Sabiha-Gökcen in die Stadt hätten bringen können, standen dort Lastwagen und Panzer; der Weg nach Istanbul war versperrt. Militärhubschrauber kreisten, ein Kampfjet donnerte über den Flughafen hinweg. Eine große, aufgebrachte Menschenmenge hatte sich bereits versammelt. Immer wieder riefen aus ihr heraus die Menschen „Allahu akbar“.

In der Türkei war nichts mehr so wie vorher

Stunden später war der Aufstand zwar niedergeschlagen, aber in Istanbul, in der ganzen Türkei, war nichts mehr so wie vorher. Und Özkaraca postete am Samstagmorgen auf Facebook: „Dieser Möchtegern-Putsch sieht aus wie der Reichstagsbrand. Und er wird auch so wirken.“ Denn nützen werde er nur Erdogan, der auf die Ereignisse zu seinem politischen Vorteil reagieren werde. Worte, die sich bewahrheiten sollten. Inzwischen herrscht seit einigen Tagen Ausnahmezustand in der Türkei, der dem Präsidenten eine ungeheure Macht sichert.

Özkaraca, gebürtiger Hamburger mit türkischen Wurzeln, will sich davon nicht einschüchtern lassen. Aber „ein komisches Gefühl“, habe er schon, sagt er. Dennoch meldet er sich regelmäßig morgens auf Facebook mit seinem hanseatisch anmutenden „Moin aus Istanbul“ und einem Fotogruß. Genauso, wie er es sonst aus Neukölln macht, wo er für die Sozialdemokraten als Direktkandidat für die Abgeordnetenhauswahl im Wahlkreis 2 aktiv ist.

Das hamburgische Idiom ist Özkaraca, der hier als Rechtsanwalt eine eigene Kanzlei betreibt, erhalten geblieben, auch wenn er sich inzwischen als überzeugter Berliner fühlt. „Ich liebe diese freie und liberale Stadt, in der man sagen kann, was man möchte“, sagt Özkaraca. Und das werde einem um so vieles klarer, wenn man an einem Ort ist, an dem es zurzeit keine Meinungsfreiheit gibt, an dem man eingeschränkt ist in seinem Handeln.

"Urlaub in Neukölln wäre sicher stressfreier gewesen"

Den Post auf Facebook an diesem Sonntag zeigt ein altes Foto. Auf diesem liegt er gemütlich im Liegestuhl vor Karstadt am Hermannplatz. Sein Kommentar: „Urlaub in Neukölln wäre sicher stressfreier gewesen!“ Das muss bei allem Ernst der Situation eben auch mal sein.

Von AKP-Anhängern kommen bösartige Kommentare

Die anderen Beiträge sind weitaus politischer. Er setzt sich mit neuen politischen Entwicklungen auseinander, teilt kritische Artikel aus verschiedenen Medien, befasst sich mit dem schwierigen Verhältnis von Religion und politischer Macht und geht auf die wachsenden Spannungen in der türkischstämmigen Community ein. „Es ist unglaublich, wohin das Land unserer Vorväter steuert“, heißt es in einem seiner Beiträge. Dass darauf auch immer wieder bösartige Kommentare von Erdogan- und AKP-Anhängern kommen, ist Özkaraca gewöhnt.

Der überzeugte Sozialdemokrat, der auf seiner Homepage über sich „Mein Herz pumpt rot“ schreibt, hatte ursprünglich vor, am Sonntagabend an einer großen Demonstration der größten türkischen Oppositionspartei CHP (Republikanische Volkspartei) auf dem Taksimplatz teilzunehmen. Auch die Regierungspartei AKP hatte sich dem Aufruf gegen den Putschversuch und für Demokratie angeschlossen. Aber er habe sich entschieden, dies aus Sicherheitsgründen doch nicht zu tun, sagte Özkaraca am Nachmittag. Zu ungewiss sei, was dort passieren könne.

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