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Diertrich Stobbe

© Wolff

SPD: Als die SPD sich stürzte

Keiner scheiterte so spektakulär: Dietrich Stobbe, bis 1981 Regierender Bürgermeister, wird heute 70 Jahre alt.

Kennt noch jemand Dietrich Stobbe? Vielen ist nur sein dramatischer Sturz in Erinnerung, kein Regierender Bürgermeister ist so tragisch gescheitert wie er. Lange her ist das, 27 Jahre. Heute begeht er seinen 70. Geburtstag. Man begegnet einem heiter gelassenen Mann, der sich über die Perspektiven Berlins seit der Einheit freut und der froh ist über seine zweite Karriere als Unternehmensberater. Aber er sagt auch über sein Waterloo damals: „Das nagt bis heute.“

Als der Regierende Bürgermeister Klaus Schütz 1977 über allerlei kleinkarierten Filz und Affären stürzte, stand es schlecht um die in Gruppen zerfallene SPD. So stand auch die Bewerbung des Bundessenators Stobbe, studierter Diplom-Politologe, um die Nachfolge unter keinem guten Stern. Er musste zwei Konkurrenten aus dem Feld schlagen, den von der Bonner Parteiführung offerierten Hans-Jürgen Wischnewski und Harry Ristock, Hauptmann der SPD-Linken.

Erstes Ausländerprogramm

Stobbe startete mit Elan und guten Vorsätzen in bewusster Hinwendung zur Stadtpolitik. „Mehr regieren und besser verwalten“, lautete sein Credo. Die Berlinkrisen im Kalten Krieg verebbten, die Stadt sollte sich auf die eigenen Kräfte besinnen und ein neues Wirgefühl entfalten. Aus Bonn kamen frische, kompetente Senatoren wie Wissenschaftssenator Peter Glotz. Stobbe machte Bezirksbesuche, besah sich die Problemecken, legte ein Wertausgleichsprogramm für die Bezirke auf, auch das erste Ausländerprogramm. Aus Bonn flossen vier Milliarden Mark in das Zukunftsinvestitionsprogramm, im Wesentlichen für die Stadtsanierung.

Das alles kam gut an. „Jungstar“ Stobbe genoss Sympathien. Nach einem Jahr sah man ihn optimistisch auf Plakaten winken: „Berlin stimmt wieder.“ Doch das Hickhack in der SPD und in der Koalition ging weiter. Beide Partner hatten mit Flügelkämpfen zu tun und stritten eifersüchtig über Personalien und Projekte, manches der vielen Programme blieb in der Administration hängen.

Zum Eklat kam es nach der Wahl 1979. Der FDP gefiel es schon lange nicht, dass Senator Horst Korber zugleich Präsident des Landessportbundes war, obwohl er als erfahrener Ost-West-Unterhändler viel für den innerdeutschen Sportaustausch tun konnte. Und so fiel Korber bei der Senatswahl 1979 im Parlament durch. Stobbe verzichtete auf ihn und galt nun selbst als geschwächt.

Schließlich trieben die Risse im Machtgefüge auf eine Katastrophe zu, und der Fall Garski löste sie aus. Der Architekt Dietrich Garski, FDP, hatte sich mit Aufträgen in Saudi-Arabien übernommen, eine Kreditbürgschaft des Senats über gut 100 Millionen Mark wurde fällig. Während seine Firma Bautechnik in Konkurs ging, verschwand der Chef Garski mit zwölf Millionen Mark aus der Kasse.

Parallel zu dieser Affäre machte sich die Hausbesetzerszene breit. Anlass war der Leerstand von 10 000 Wohnungen im Zuge des Modernisierungsprogramms. Berlin kochte. Der Regierende Bürgermeister wollte die Lage durch eine Senatsumbildung stabilisieren, aber sie misslang auf schaurige Weise. Die SPD zerfleischte sich in Personaldebatten, die rechte Fraktionsmehrheit der FDP liebäugelte mit dem fliegenden Wechsel zur CDU, den ihr Hans-Dietrich Genscher mühsam ausredete.

Von Berlin nach New York

Dann kam der denkwürdige 15. Januar 1981, der als beispiellos in die Berliner Annalen einging. Alle vier SPD-Senatskandidaten fielen bei der Wahl im Parlament durch, nur der FDP-Kandidat nicht. Vor dem Plenum trat Stobbe mit den Worten zurück: „Ich liebe diese Stadt.“ Warum sagte er das? „Aus Trotz gegen die Gemeinheiten“, meint er heute.

Nach wenigen Monaten mit Hans-Jochen Vogel als Nothelfer aus Bonn und Neuwahlen war die CDU am Ziel, Richard von Weizsäcker übernahm den Senat. Nun saß erstmals auch die Alternative Liste, Vorläufer der Grünen, im Abgeordnetenhaus.

Der an den West-Berliner Verhältnissen, die er hatte wenden wollen, gescheiterte Stobbe suchte Abstand in New York, wo er das Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung leitete. In der Öffentlichkeit macht er sich seither rar, empfand es aber als späte Genugtuung, dass er als Bundestagsabgeordneter (1983 bis 1990) in den Wendemonaten an der Einheitswerdung mitwirken konnte. Dann war es mit der Politik vorbei. Er wurde European Director und Vice President eines amerikanischen Consulting-Unternehmens, sechs Jahre später gründete er mit Partnern in Berlin eine eigene Firma. Dort ist er mittlerweile der Senior. Seine Anteile hat er verkauft, an den früheren Senator Wolfgang Branoner (CDU). Rein familiär, mit Frau, Kindern und Enkeln, feiert er heute Geburtstag. Brigitte Grunert

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