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Berlin: SPD-Basis will über den neuen Chef bestimmen

Vorstand muss entscheiden, ob der Wahlparteitag verschoben wird, bis das Mitgliedervotum vorliegt.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

In der Berliner SPD mehren sich die Anzeichen dafür, dass die Basis den neuen Landesvorsitzenden bestimmen soll. Der Druck auf die Parteispitze nimmt zu, mit der Wahl eines neuen Landeschefs zu warten, bis das Mitgliedervotum vorliegt. Entsprechende Anträge aus den Parteigliederungen mehrerer Bezirke liegen dem Landesvorstand vor, der sich am heutigen Montag erneut mit der Frage befassen wird, ob der für den 9. Juni anberaumte Wahlparteitag verschoben werden soll. Am 23. April hatte die SPD-Führung eine Mitgliederbefragung noch mit 16 gegen 9 Stimmen abgelehnt. Ob dieses Votum Bestand haben kann, gilt jetzt als unsicher.

Zum Beispiel hat der mitgliederstarke SPD-Kreisverband Steglitz-Zehlendorf seine bisher ablehnende Haltung zu einem Votum der Parteibasis über die künftige Parteiführung revidiert. In einem Beschluss des Kreisvorstands heißt es: „Der Landesvorstand wird aufgefordert, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Mitgliederbefragung über den Landesvorsitzenden möglichst schnell durchgeführt werden kann. Der Landesparteitag wird auf den frühestmöglichen Zeitpunkt nach der Mitgliederbefragung terminiert.“ SPD-Kreischef Michael Arndt begründete die Kehrtwende mit dem Meinungsbildungsprozess der letzten Wochen auch in Ortsverbänden, „von denen ich das nicht erwartet habe“.

Mit ausschlaggebend für den Stimmungsumschwung in vielen SPD-Bezirksverbänden ist offenbar das Mitgliederbegehren, mit dem zwei Spandauer Ortsverbände versuchen, ein Votum der Parteibasis über den nächsten Landesvorsitzenden zu erzwingen. Seit zwei Wochen werden Unterschriften gesammelt, bisher kamen über 750 zusammen, wie der Organisator des Begehrens, André Dietzschke, bestätigte. Das sind schon fast 50 Prozent des notwendigen Quorums (zehn Prozent der Berliner SPD-Mitglieder). „Wir kommen gut voran“, sagte Dietzschke. Angesichts dessen rät Kreischef Arndt, „das Problem im Landesvorstand am Montag in unserem Sinne abzuräumen“.

Frank Zimmermann, Vize-Kreischef in Tempelhof-Schöneberg und Rechtsexperte im Abgeordnetenhaus, forderte am Sonntag zwar keine Verschiebung des Parteitags, dem 120 Anträge zu Sachfragen vorliegen, aber die Vorstandswahlen sollten auf den Spätsommer vertagt werden. Weil der Sprecher der Parteilinken, Jan Stöß, seine Kandidatur für den SPD-Vorsitz gegen den langjährigen Amtsinhaber Michael Müller sehr spät erklärt habe, könne das Mitgliederbegehren aus Spandau nicht mehr vor dem Parteitag abgeschlossen werden. „Das war sicher keine Absicht, führt aber im Ergebnis dazu, dass ein statutengemäßes Beteiligungsverfahren ins Leere läuft“, sagte Zimmermann dem Tagesspiegel. Die noch verbleibenden drei Wochen bis zum Parteitag seien zu kurz bemessen. Das Instrument eines Votums der Parteibasis zu Personalfragen sei nicht in die Satzung aufgenommen worden, um missachtet zu werden. Laut SPD-Statut dürfen für ein Mitgliederbegehren drei Monate lang Unterschriften gesammelt werden.

Die Sprecherin des SPD-Landesverbands, Josephine Steffen, bestätigte, dass der Landesvorstand am Montag „in jedem Fall über diese Fragen berät“. Am Montagabend wird dann die Kreisdelegiertenversammlung Spandau mit Müller und Stöß diskutieren. Die Nominierung von Stöß gilt dort als ausgemachte Sache. Der Spandauer SPD-Kreischef und Fraktionsvorsitzende im Abgeordnetenhaus, Raed Saleh, gehört zu den engsten Vertrauten von Stöß. Am 31. Mai und am 1. Juni werden noch die Kreisverbände Neukölln und Friedrichshain-Kreuzberg ihren Favoriten für den SPD-Landesvorsitz nominieren. Außerdem finden noch zwei nicht öffentliche Mitgliederforen statt. Käme es doch zu einer Kampfabstimmung auf dem Landesparteitag, hätte Stöß Chancen, mit einer knappen Mehrheit zum neuen SPD-Landeschef gewählt zu werden. Bei einer Mitgliederbefragung werden Müller die etwas besseren Chancen eingeräumt.

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