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Jan Stöß (41) führt die Berliner SPD seit 2012.

© Doris Spiekermann-Klaas

SPD-Chef Jan Stöß im Interview: "Alle für einen, einer für alle"

Bei der Abstimmung über die Nachfolge Klaus Wowereits erlitt SPD-Chef Jan Stöß eine Niederlage. Im Interview erklärt er, warum er dennoch im Amt bleiben will – und was die drei Musketiere damit zu tun haben.

Von
  • Sabine Beikler
  • Ulrich Zawatka-Gerlach

Herr Stöß, sollten Sie nach dem schlechten Ergebnis beim SPD-Mitgliederentscheid als Parteichef nicht besser zurücktreten?
Jeder wird verstehen, dass man nach so einer Entscheidung erst einmal durchschnaufen und darüber nachdenken muss, ob man weiter einen Beitrag für den Erfolg der SPD leisten kann. Ich habe nach dem Mitgliedervotum viele Gespräche geführt, auch mit Verantwortlichen in der Partei und habe viel Unterstützung dafür bekommen, als Parteichef weiterzuarbeiten. Ich möchte weiter mithelfen, dass die SPD in Berlin erfolgreich ist. Ja, ich bleibe SPD-Vorsitzender.

SPD-Fraktionschef Raed Saleh hat dem designierten Regierungschef Michael Müller unbedingte Loyalität zugesichert. Sie haben das nicht getan.
Doch. Ich habe gleich nach dem SPD-Mitgliedervotum von den drei Musketieren gesprochen, die das Motto hatten: Alle für einen, einer für alle. Die SPD wird sich geschlossen hinter Michael Müller aufstellen, damit wir 2016 erfolgreich sind. Dabei will und werde ich mithelfen.

"Wir werden eine enge und vertrauenswürdige Zusammenarbeit hinbekommen"

Als geschlossenes Team werden Müller, Stöß und Saleh aber nicht wahrgenommen. Wie ist ihr Verhältnis zueinander?
Nach vielen vertraulichen Gesprächen bin ich mir sicher, dass wir eine enge und vertrauenswürdige Zusammenarbeit hinbekommen.

Reden Sie auch mit Raed Saleh, der parteiintern als ihr Erzfeind gilt?
Das ist doch Unsinn. Selbstverständlich sind wir im Gespräch und waren das auch während des Mitgliederentscheids. Wenn drei Kandidaten gegeneinander antreten, können nicht alle drei Erster werden, das ist doch klar. Das Verfahren selbst hat der SPD in Berlin sehr gut getan. Wir haben an Mitgliedern und Zustimmung gewonnen und den hohen Wert einer Mitgliedschaft in einer demokratischen Partei deutlich gemacht.

CDU-Landeschef Frank Henkel hält die Führungsfrage in der SPD für ungeklärt. Es gebe nach wie vor drei Machtzentren, sagt er. Haben Sie mit ihm darüber gesprochen?
Die SPD steht geschlossen hinter Michael Müller, da muss sich die CDU keine Sorgen machen. Das weiß Frank Henkel auch. Wir wollen die Zusammenarbeit mit der CDU bis 2016 erfolgreich fortführen. Da helfen weder Sticheleien noch Belehrungen. Wir nehmen durchaus wahr, dass bei der Union die Nervosität steigt, seitdem die SPD in Umfragen wieder vorne liegt. Wir spüren Rückenwind für die SPD – und die Herausforderungen, vor denen wir stehen.

Erwarten Sie von Michael Müller, dass er Sie in die Regierung einbindet?
Ich will meinen Beitrag als Landesvorsitzender leisten und bin in dieser Funktion natürlich Teil des Teams. Als Parteichef werde ich nicht in den Senat gehen. Jeder sollte jetzt in seiner Position dafür arbeiten, dass die SPD stärkste Kraft bleibt.

Wollen Sie denn 2016 ins Abgeordnetenhaus einziehen?
Das warten Sie mal ab. Jetzt werden wir mit Michael Müller erst einmal einen neuen Regierenden Bürgermeister bekommen. Dann werde ich als Landesvorsitzender den Prozess koordinieren, das Wahlprogramm zu erarbeiten. Das ist jetzt meine Aufgabe.

Wollen Sie lieber 2017 in den Bundestag?
Es freut mich, dass Sie so regen Anteil an meiner Berufsplanung nehmen. Noch einmal: Als Landesvorsitzender trage ich Sorge dafür, dass sich die SPD geschlossen aufstellt und ein Wahlprogramm erarbeitet, das die Berliner überzeugt.

"Das Mitgliedervotum hat die SPD gestärkt"

Das Mitgliedervotum legt den Schluss nahe, dass die SPD-Basis keine Experimente und keinen neuen politischen Kurs will. Damit sind Sie aber vor zwei Jahren als neuer Parteichef angetreten.
Das Mitgliedervotum hat die SPD sehr wohl gestärkt. Die wenigsten haben uns zugetraut, diesen Prozess so unfallfrei hinzubekommen und uns mitten in der Legislaturperiode an der Spitze personell neu aufzustellen. Und bei den Themen, die die SPD vertritt, gibt es große Geschlossenheit. Wir brauchen bezahlbare Wohnungen, wollen die Arbeitslosigkeit überwinden, Aufstieg durch Bildung ermöglichen und eine bessere finanzielle und personelle Ausstattung der Bezirke. Das Wachstum der Stadt muss sozial gerecht gestaltet werden.

Michael Müller hat den Satz gesagt: Er möchte nicht der Bürgermeister der SPD, sondern der SPD-Bürgermeister für alle Bürger sein. Unterschreiben Sie das?
Das kann ich unterschreiben. Wir machen Politik für alle Berlinerinnen und Berliner. Meine Aufgabe als Landesvorsitzender ist es, dabei den guten Ideen aus der SPD Gewicht zu geben. Da gibt es keinen Widerspruch.

CDU-Chef Henkel fordert einen Neuanfang für die Koalition. Er drängt auf die Rücknahme der Früheinschulung, will mehr Geld und Personal für die innere Sicherheit und plädiert für Wohncontainer für die Flüchtlinge. Zieht die SPD da mit?
Die Union sollte sich auf die Arbeit in ihren Aufgabenbereichen konzentrieren und das umsetzen, was wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben. Besonders bei der menschenwürdigen Unterbringung der Flüchtlinge gibt es für Sozialsenator Mario Czaja viel zu tun. Beim Einschulungsalter gibt es eine sehr vernünftige Linie, nämlich die flexible Handhabung mit der Möglichkeit der Rückstellung. Bei einer zwingenden Späteinschulung bräuchten wir kurzfristig viele tausend zusätzliche Kitaplätze. Das ist kaum umsetzbar.

"Wir wollen zum vierten Mal in Folge stärkste Partei in Berlin werden"

In eineinhalb Jahren beginnt der Wahlkampf, in den die SPD mit Michael Müller als Spitzenkandidat ziehen wird, oder?
Selbstverständlich!

Ihr Parteifreund Saleh hat als Wahlziel der SPD 30 bis 35 Prozent ausgerufen. Sind Sie auch so optimistisch?
Wir wollen zum vierten Mal in Folge stärkste Partei in Berlin werden. Das ist unser Wahlziel.

Und dann? Lieber Rot-Rot-Grün als Rot-Schwarz?
Dreierkonstellationen sind immer schwierig, die SPD sollte so stark sein, dass sie sich 2016 einen Partner für die gemeinsame Regierung aussuchen kann.

Aber Juniorpartner unter der CDU, mit der SPD nie wieder?
Da die SPD wieder im Aufwind ist, gibt es gar keinen Anlass, über so etwas nachzudenken. Wir haben den Anspruch, führende Kraft zu sein und zu bleiben. Die SPD ist die Berlin-Partei.

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