zum Hauptinhalt
Baustelle Mitte. Die Sanierung des Charité-Bettenhauses zieht sich hin. Am Freitag wird entschieden, wie es mit der Finanzierung weitergehen soll.

© Kai-Uwe Heinrich

Kritik an "Privatfehde": SPD: Finanzsenator Nußbaum schädigt Charité

In der SPD wächst die Kritik an der "Privatfehde" von Finanzsenator Nußbaum mit dem Klinik-Chef. Es gilt als kein Wunder, dass sich deshalb die Sanierung des Bettenhauses verzögere.

Von

Immer wieder gibt es Streit. Seitdem Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) im Aufsichtsrat der Charité sitzt, lässt er den Vorstandschef des Universitätsklinikums, Karl Max Einhäupl spüren, dass er von dessen Managementqualitäten nicht viel hält. In der Boulevardpresse sagte der Senator kürzlich, man müsse „überdenken, ob der nächste Charité-Chef auch Wissenschaftler sein sollte“. Ein Hieb gegen den Neurologen Einhäupl, dem er mangelndes betriebswirtschaftliches Verständnis vorwirft.

Denn auch im nächsten Jahr wird die Uniklinik Verluste machen: rund 20 Millionen Euro. Und am Freitag wird sich der Charité-Aufsichtsrat mit der Finanzierung teurer Investitionsvorhaben befassen. Vor allem mit der Sanierung des Bettenhochhauses in Mitte. Allerdings bringt der parteilose Finanzsenator im Konflikt mit Einhäupl die ihn tragende SPD immer mehr gegen sich auf. Lars Oberg, der wissenschaftspolitische Sprecher der SPD im Abgeordnetenhaus, hat für die Haltung Nußbaums „keinerlei Verständnis“. Dessen Äußerungen seien umso weniger nachvollziehbar, da er selber im Aufsichtsrat der Charité sitze.

„Es ist nicht Aufgabe eines Aufsichtsrats, eine Privatfehde gegen den zu führen, den er beaufsichtigt“, kritisierte Oberg. „Wenn bei der Charité alles so schlecht läuft, wie Nußbaum behauptet, trägt auch ein Aufsichtsrat die Verantwortung dafür.“ Es sei kein Wunder, dass sich die Sanierung des Bettenhauses ständig verzögere, „solange sich der Aufsichtsrat solche Scharmützel mit dem Vorstand leistet“. Der SPD-Wissenschaftsexperte steht mit seiner Meinung nicht allein. Auch der SPD-Fraktionsvorstand diskutierte über das Thema und ist mit der Vorgehensweise und dem Stil des Finanzsenators nicht einverstanden.

Charité-Chef Einhäupl gilt als Forscher mit Renommee.
Charité-Chef Einhäupl gilt als Forscher mit Renommee.

© Thilo Rückeis

Natürlich sei es die Aufgabe Nußbaums, den Druck auf die Charité aufrechtzuhalten, damit das Klinikum effizient arbeite und sich im vorgegebenen Kostenrahmen bewege, verlautete aus dem Fraktionsvorstand. Doch es sei etwas anderes, „wenn jemand mit bestimmten Äußerungen der Charité und der Wissenschaftslandschaft Berlins Schaden zufügt“. Die Position des SPD-Führungsgremiums: An den getroffenen Finanzentscheidungen für das Uniklinikum dürfe nicht mehr gerüttelt werden, die Charité müsse ihre Investitionspläne in Ruhe umsetzen können. Auch die SPD-Fraktion debattierte am Dienstag in diesem Sinne über das Thema. Aus anderen Parteikreisen ist zu hören, Nußbaum habe eine „Profilneurose“ in Sachen Charité und werde wegen seines kompromisslosen Auftretens „letztlich scheitern“.

In der Sache geht es zunächst um den Bettenturm am Standort Mitte – das weithin sichtbare Wahrzeichen der Klinik, das für 185 Millionen Euro saniert werden soll. Der Senat hat der Charité für ihre drei Standorte insgesamt 330 Millionen Euro für dringende Investitionen und Modernisierungen zugesagt. Im Aufsichtsrat entscheidet sich am Freitag, wie viel Geld die Charité zunächst einmal in den kommenden Monaten erhält.

Senator Nußbaum (SPD-nah) stichelt gegen den Klinik-Chef
Senator Nußbaum (SPD-nah) stichelt gegen den Klinik-Chef

© Mike Wolff

Was könnte in der Sitzung geschehen? Entweder folgt das Gremium weitgehend dem Finanzsenator und gibt vorerst nur Planungsmittel in Höhe von wenigen Millionen Euro frei. Dies wäre, so heißt es in der Charité, ein unerfreuliches Signal. Schon weil dann die Bauplaner nicht sicher sein könnten, mit wie viel Geld sie künftig kalkulieren dürfen. Oder der Aufsichtsrat verständigt sich darauf, zügig die Gesamtsumme bereitzustellen. Zum Beispiel gilt es als unwahrscheinlich, dass der Aufsichtsrat die grundsätzlich bewilligten 34 Millionen Euro für die Forschungseinrichtung für Experimentelle Medizin am Klinikstandort in Steglitz gewährt. Nußbaum wolle, dass eines nach dem anderen saniert und finanziert werde, sagte ein Aufsichtsratmitglied. Es sei leider zu befürchten, dass der „Charité-freundliche“ Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) aus Senatsräson „hinter Nußbaum zurücktreten“ werde.

Zöllner (SPD), der dem Aufsichtsrat vorsitzt und schon oft mit Nussbaum aneinandergeriet, äußerte sich nicht öffentlich zu seinem Senatskollegen. Bekannt ist aber, dass Zöllner den renommierten Wissenschaftler Einhäupl als Klinikchef für eine gute Besetzung hält. Als Ex-Präsident der Universität Mainz ist Zöllner wohl der Überzeugung, dass die Charité – anders als ein städtisches Krankenhaus – einen Forscher an der Spitze braucht, der in der Wissenschaft national und international einen guten Namen hat. Wenn die Sitzung des Aufsichtsrats überstanden ist, könnten die Investitionsgelder in einem letzten Schritt im Frühjahr 2011 vom Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses bewilligt werden. „Wir passieren am Freitag ein Nadelöhr“, sagte ein leitender Klinikmann.

Die nächste Bewährungsprobe für Europas größtes Universitätsklinikum zeichnet sich aber schon ab. Die Tarifverhandlungen mit der Gewerkschaft Verdi für die rund 10 000 Pfleger, Schwestern und Techniker haben begonnen. Verdi fordert für jeden Beschäftigten 300 Euro mehr pro Monat. Zudem werden im Herbst 2011 die rund 2500 Klinik-Ärzte höhere Gehälter fordern, die sie ab 2012 bekommen wollen. Das kostet alles viel Geld. Eigentlich wollte die Berliner Charité ab 2012 schuldenfrei sein.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false