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Berlin: SPD-Fraktion will Landesbetriebe enteignen

Abgeordnete legen eigenen Gesetzentwurf zur Liegenschaftspolitik vor Nicht mehr benötigte Flächen sollen „entschädigungslos“ ans Land gehen.

Der Streit um den Umgang mit landeseigenen Grundstücken wird zur Zerreißprobe zwischen Senat und Koalitionsfraktionen. Die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus hat der CDU einen eigenen Vorschlag für ein „Gesetz zur Änderung der Landeshaushaltsordnung“ sowie des Betriebegesetzes vorgelegt und will dieses im Eilverfahren durch das Parlament bringen. Der Gesetzesentwurf räumt dem Parlament weitreichende Rechte bei der Vergabe von Grundstücken ein – und beraubt landeseigene Unternehmen ihrer bisherigen Verfügungsgewalt über eigene, nicht mehr benötigte Flächen.

Damit greift die Fraktion in das Geschäft von Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) ein, der Vorschläge erarbeiten soll, wie landeseigene Flächen zur Entspannung der Wohnungsnot und zur Förderung sozialer und kultureller Projekte eingesetzt werden können. Dessen erster Entwurf einer „Neuen Liegenschaftspolitik“ fiel aber durch. Und die überarbeitete Fassung? „Die ist noch nicht auf der Tagesordnung“, sagte Senatssprecher Richard Meng. Es werde aber „zeitnah“ ein Konzept geben.

Nicht damit gemeint ist der 23-seitige unterschriftsreife Gesetzentwurf der SPD-Fraktion, an dem Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) nicht beteiligt war. Der Entwurf stammt von der SPD-Linken, zu der auch Fraktionschef Raed Saleh gezählt wird. Deren überraschender Vorstoß wird auch als Reaktion gewertet auf die politisch umstrittenen Verkaufspläne für das begehrte Wassergrundstück am Holzmarkt, das der landeseigenen Berliner Stadtreinigung (BSR) gehört. Die BSR begründet die Vergabe dieses Areals an einen Unternehmer, der in ihrem eigenen Aufsichtsrat sitzt, damit, dass dieser den höchsten Preis biete. Würde das Areal an die in politischen Kreisen favorisierten, aber weniger Geld bietenden Club- und Restaurantbetreiber vom „Kater Holzig“ verkauft, verstieße die BSR gegen geltendes Recht. Mit dem neuen Gesetzentwurf soll der verbilligte Verkauf möglich werden.

Mehr noch: Wenn das Gesetz angenommen würde, könnte die BSR Grundstücksgeschäfte wie dieses gar nicht mehr ohne Zustimmung des Parlaments abschließen – Ähnliches gilt für andere landeseigene Firmen: von Bäder- und Wasserbetrieben über Charité und Vivantes bis zur BVG. Denn „nicht mehr betriebsnotwendige Immobilien fallen entschädigungslos an das Land zurück“, heißt es im Entwurf.

Überhaupt dürften nach der ebenfalls geplanten „Änderung des Berliner Betriebe-Gesetzes“ zahlreiche „Grundstücke ohne vorherige Zustimmung des Abgeordnetenhauses weder veräußert noch belastet werden“. Nach welchen Kriterien die Parlamentarier die Geschäfte mit einer „besonderen politischen Bedeutung“ bewerten sollen, ist nicht erwähnt.

Finanzsenator Nußbaum wollte den Gesetzentwurf nicht kommentieren. Beim umkämpften BSR-Areal am Holzmarkt zeigt er aber zwei andere Lösungswege auf: Das Parlament könnte eine gesetzliche Grundlage legen für eine Art „Vorkaufsrecht“ des Landes. Dadurch könnte das Land nach Abschluss des freien Bieterverfahrens das Areal zum Preis des Höchstbietenden kaufen. Die andere Möglichkeit wäre laut Nußbaum, dass der Stadtentwicklungssenator das Genehmigungsverfahren für das Areal wegen dessen stadtweiter Bedeutung an sich zöge und dafür ein Bau- und Nutzungsrecht erarbeitete, das auf den Bieter seiner Wahl maßgeschneidert ist.

Und die „entschädigungslose“ Übernahme von nicht mehr betriebsnotwendigen Immobilien durch das Land? „Dann wäre etwa die Finanzierung des Masterplans der Charité durch Grundstücksverkäufe nicht möglich gewesen, ebenso wenig die Finanzierung universitärer oder anderer unternehmerischer Aufgaben durch Grundstücksverkäufe“, sagt Nußbaum. Auch habe er gesellschaftsrechtliche Bedenken gegen einen Eingriff in das Vermögen der eigenständigen Firmen.

Nußbaum sagte, er habe seinen Entwurf zur Liegenschaftspolitik überarbeitet und habe diesen jetzt in den Senat eingebracht. Die Vergabe landeseigener Grundstücke zum Höchstpreis strebe er nicht an, wohl aber mehr Transparenz, indem offengelegt wird, nach welchen Kriterien landeseigene Flächen günstiger abgegeben werden dürfen und an wen.

Bei der CDU-Fraktion kommt der SPD-Vorstoß gut an: „Das zeigt in die richtige Richtung“, sagte der haushaltspolitische Sprecher der Fraktion, Christian Goiny. Grundstücksvergaben wie der Holzmarkt könnten dann nach politischen Zielen entschieden werden. Andere Ansätze müssten in der Fraktion aber noch diskutiert werden.

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