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"Wir werden weiter zu diesem Projekt stehen." Das sagt SPD-Landeschef Jan Stöß im Interview über das Flughafendebakel – und benennt sein Ziel für die Bundestagswahl 2013.

© dpa

SPD-Landeschef im Interview: Die Nachfolgedebatte? Noch nicht

Jan Stöß, Landeschef der Sozialdemokraten, gilt als Kandidat fürs Amt des Regierenden Bürgermeisters – und nicht nur er. Ein Gespräch über seine Konkurrenten, das Schicksal Klaus Wowereits und seiner Partei.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Herr Stöß, wie ist die Stimmung in der Berliner SPD, nach der vergangenen Woche?

Wir haben uns den Start ins neue Jahr sicher anders vorgestellt. Aber es gab nach dem Flughafendesaster nicht nur Kritik, sondern auch aufmunternde Reaktionen von der Basis. Gerade dann, wenn es knüppeldicke kommt, steht die Berliner SPD zusammen.

Und der Koalitionspartner CDU steht weiter treu zur Fahne?

Die Koalition hat den Stresstest der letzten Woche klar bestanden. Ich bin fest überzeugt, dass Rot-Schwarz die Legislaturperiode bis 2016 gemeinsam gestalten wird. Große Volksparteien pflegen sich an einmal getroffene Vereinbarungen zu halten.

Bundesweit, sogar in ausländischen Zeitungen, wurde der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit zum Rücktritt aufgefordert. Das lässt Sie kalt?

Natürlich nehmen wir die Probleme ernst. Aber in einem parlamentarischen System entscheiden die frei gewählten Abgeordneten, ob der Regierungschef das Vertrauen der Mehrheit hat. Diese Frage ist in Berlin mit der Ablehnung des Misstrauensantrags der Grünen eindeutig beantwortet worden. Es war übrigens eine faire Geste der Grünen-Fraktionschefin Ramona Pop, dass sie Klaus Wowereit nach dem Vertrauensvotum der Koalition als eine der Ersten gratulierte. Ich glaube auch, dass sich die Opposition damit abgefunden hat, dass diese Mehrheit bis 2016 steht.

Trotzdem wird in der Berliner SPD überlegt, Klaus Wowereit vorzeitig als Regierenden Bürgermeister abzulösen. Ein solcher Schritt wäre ohne Koalitionsbruch und Neuwahlen möglich. Alles nur dumme Gerüchte?

Die Koalition hat dem Regierenden Bürgermeister gerade erst das Vertrauen ausgesprochen. Das ist gewiss nicht der richtige Zeitpunkt für eine Nachfolgedebatte.

Wann ist denn der richtige Zeitpunkt?
Jetzt nicht.

Das ist keine Antwort auf die Frage.
Klaus Wowereit hat gesagt, dass er seine Aufgaben in dieser Legislaturperiode weiter engagiert wahrnimmt. Es gibt überhaupt keinen Anlass für eine Debatte.

In der SPD werden drei Namen gehandelt. Sie selbst als SPD-Landeschef, die Arbeitssenatorin Dilek Kolat und der SPD-Fraktionschef Raed Saleh sollen interessiert sein, Wowereit zu beerben. Wie können Sie da sagen, es gibt keine Nachfolgediskussion? Wer Rot-Schwarz bis 2016 fortführen will, muss sich über den künftigen Regierungschef doch ernsthaft Gedanken machen.

Diese Frage steht, wie ich bereits sagte, jetzt nicht an. Und es spricht doch für die Berliner SPD, dass gleich mehreren Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten zugetraut wird, das Amt des Regierenden Bürgermeisters auszufüllen.

Wäre auch eine Außenlösung denkbar? Das letzte sozialdemokratische Stadtoberhaupt, das von außerhalb Berlins an die Spree kam, war 1981 Hans-Jochen Vogel.

Auch wenn Sie noch so oft fragen: Wo keine neue Lösung nötig ist, erübrigt sich auch die Frage nach der Außenlösung.

Der Regierende Bürgermeister steckt seit Mai 2012 in einem dauerhaften Popularitätstief. Glauben Sie ernsthaft, da kommt er wieder heraus?

Klaus Wowereit hat in den vergangenen Tagen gezeigt, dass er bereit ist zu kämpfen, sich der Kritik und seiner Verantwortung als Regierungschef zu stellen. Bei denjenigen, die vom Flughafen-Desaster unmittelbar betroffen sind, hat er sich ausdrücklich entschuldigt. Wenn die Bürger merken, dass wir sachorientiert an der Lösung der Flughafenkrise arbeiten und weiter konsequent die vielen anderen Probleme in der Stadt angehen, werden wir auch verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen.

Wie übersteht die SPD den Bundestags-Wahlkampf?

Selbstkritik ist nicht gerade die große Stärke Wowereits. Selbst in diesen Tagen wirkte er manchmal arrogant.

Das nehme ich nicht so wahr.

Bald beginnt der Bundestagswahlkampf, in den die Berliner SPD voraussichtlich mit miserablen Umfragewerten startet. Belastet mit einem herzlich unbeliebten Regierungschef. Damit kommen Sie klar?

Ich habe mir abgewöhnt, über künftige Meinungsumfragen zu spekulieren. Im Wahlkampf werden wir alles daransetzen, die eigenen Themen nach vorn zu stellen: Bildung und Aufstiegschancen für alle, gute Arbeitsplätze, bezahlbare Mieten, soziale Gerechtigkeit und den Kampf gegen das Auseinanderdriften der Gesellschaft.

An jedem Straßenstand werden die SPD-Wahlkämpfer erst einmal den Bürgern erklären müssen, warum der Neubau des Flughafens versemmelt wurde.

Wir werden weiter zu diesem Projekt stehen, uns der Diskussion stellen und die schwierige Lage nicht gesundbeten. Der Flughafen ist aber nicht das einzige Problem, das in Berlin gelöst werden muss. Immer weniger Menschen finden eine bezahlbare Wohnung, viele leben ausschließlich von Minijobs oder die Rente reicht nicht mehr zum Leben. In all diesen Fragen ist die Bundestagswahl eine echte Richtungsentscheidung.

Was ist Ihr Wahlziel für die Berliner SPD bei der Bundestagswahl 2013?

Unser Wahlziel ist es, den Wechsel zu Rot-Grün im Bund zu schaffen.

Mehr als 20 Prozent, so wie im Jahr 2009, dürfen es in Berlin aber sein, oder?

Natürlich wollen wir mehr erreichen.

Ein Blick noch nach Brandenburg. Der sozialdemokratische Ministerpräsident Matthias Platzeck verknüpft sein politisches Schicksal an das Gelingen des Flughafenbaus. Ist das nicht vorbildlich?

Matthias Platzeck hat in dieser Situation die richtigen Worte gefunden. Berlin und Brandenburg wollen gemeinsam den Erfolg des Flughafens, und es ist jetzt langsam mal an der Zeit, dass auch der Bund als Mitgesellschafter dieses Projekt ohne Störmanöver unterstützt.

Ihre Prognose: Wann wird der neue Flughafen „Willy Brandt“ fertig?

Wer jetzt über neue Eröffnungstermine spekuliert, dem glaubt niemand.

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