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Berlin: SPD rückt vom politischen Bezirksamt ab Kontroverse Parteitagsanträge. Landeschef Müller will über eine größere Bezirksreform diskutieren

Das politische Bezirksamt steht auf der Kippe. Denn in der SPD wachsen die Bedenken, ob es richtig ist, nicht nur die Bürgermeister, sondern auch die Stadträte ab 2011 durch Koalitionsmehrheiten zu wählen.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Das politische Bezirksamt steht auf der Kippe. Denn in der SPD wachsen die Bedenken, ob es richtig ist, nicht nur die Bürgermeister, sondern auch die Stadträte ab 2011 durch Koalitionsmehrheiten zu wählen. In diesem Fall würden die Bezirksämter zu kleinen „Kommunalregierungen“, die politisch klar ausgerichtet sind. Die Berliner Verfassung verbietet dies nur noch bis 1. Januar 2010. Die Klausel müsste, wenn man sie behalten will, verlängert werden.

Bisher wollte das nur die CDU. Sie möchte an der Zusammensetzung der Bezirksämter nach dem Proporz (entsprechend dem Wahlergebnis) festhalten. Nur die Bezirksbürgermeister sollten weiterhin von „Zählgemeinschaften“ der Fraktionen gewählt werden. Aber jetzt wird – im Vorfeld eines Parteitags im November – auch in der SPD das politische Bezirksamt infrage gestellt. Der rechtspolitische Experte Frank Zimmermann spricht von einer „bunten Antragslage“. Es stehe „fifty-fifty“, sagt SPD-Landeschef Michael Müller. Er plädiert dafür, sich Zeit zu nehmen, um über eine größere Bezirksreform zu diskutieren.

Das Ziel, so Müller, sei eine Stärkung der Bezirke. Als Alternative zum politischen Bezirksamt käme etwa eine Direktwahl der Bezirksbürgermeister infrage, die dann eine Richtlinienkompetenz erhalten. Auch die Finanzierung der Bezirke ist nach Meinung des SPD-Chefs reformbedürftig. Das geltende Zuweisungssystem ist selbst für Fachleute schwer durchschaubar und wird von einigen Bezirken als ungerecht kritisiert. Auch die Aufsicht des Senats über die Bezirke, etwa bei Bebauungsplänen, solle überdacht werden, so Müller. An der zweistufigen Verwaltung, die 1920 eingeführt wurde, will Müller auf keinen Fall rütteln. „Die Einheitsgemeinde Berlin bleibt.“ Das heißt: Der Senat bleibt für die Gesamtstadt verantwortlich.

Ob sich der Koalitionspartner an einer Verhinderung des politischen Bezirksamts beteiligen würde, ist offen. „Noch sind wir dafür“, sagt Klaus Lederer,Landeschef der Linken. Aber „politisierte Bezirksverwaltungen“ seien nur sinnvoll, wenn genügend Spielraum da sei, um Politik zu gestalten. Deshalb setzt sich auch Lederer dafür ein, den Finanz- und Rechtsstatus der zwölf Bezirke zu stärken. Eine Direktwahl der Bürgermeister sieht er hingegen skeptisch. Schließlich müsste ein solches Bezirksoberhaupt möglicherweise gegen eine „feindliche“ Mehrheit im Bezirksamt ankämpfen.

Auch die Grünen sind gegen eine Direktwahl. „Wir wollen keine Personalisierung, wir wollen starke und politische Bezirke“, sagt Grünen-Experte Benedikt Lux. Der FDP-Mann Björn Jotzo plädiert ebenfalls leidenschaftlich für das politische Bezirksamt, denn „Koalitionsregierungen“ auf kommunaler Ebene stärken den Einfluss der kleineren Parteien. Ob direkt gewählte Bürgermeister sinnvoll sind, wird in der FDP unterschiedlich diskutiert. Dagegen ist der CDU-Generalsekretär Frank Henkel bei der Direktwahl und mehr Kompetenzen für die Bezirksoberhäupter gesprächsbereit. „Da sind wir offen.“ Und wenn sich gemeinsam mit der SPD das politische Bezirksamt verhindern ließe, wäre die Union beglückt. Wegen der notwendigen Zweidrittelmehrheit zur Änderung der Verfassung müsste aber die Linke mitziehen.

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