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In guter Gesellschaft. Die Betreuungsgruppe für Demenzkranke hilft Manfred Kühtze und seiner Frau Ingeborg.

© Mike Wolff

Spendenserie: Die kleine Freizeit zwischendurch

Bei der Spendenaktion „Menschen helfen!“ unterstützt der Tagesspiegel Vereine und Projekte – einige stellen wir in unserer Serie stellvertretend vor: Neun Betreuungsgruppen für Demenzpatienten entlasten pflegende Angehörige. Die Caritas bittet um Spenden.

Für tragische Liebesgeschichten ist nicht nur Hollywood zuständig. Man findet sie auch in Hermsdorf – in der Sozialstation der Caritas im Dominikus Krankenhaus: In einem großen, weihnachtlich geschmückten Raum sitzt Manfred Kühtze. Leise Weihnachtsmusik läuft im Hintergrund. Er scheint sie nicht zu hören. Der 74-Jährige starrt vor sich hin. Er ist körperlich anwesend und doch nicht da.

Seine Frau Ingeborg sieht ihn liebevoll an und sagt: „Seit dem Hirnschlag vor zwei Jahren kann man sich fast nicht mehr mit ihm unterhalten. Ich erzähle ihm eine Menge, aber er reagiert nicht.“ Die 79-Jährige, die mit ihrer kecken, blonden Frisur, den lustig baumelnden Ohrringen und den sorgfältig geschminkten, wachen Augen viel jünger wirkt, pflegt ihren Mann zu Hause – 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche: „So lange ich das noch kann. Ich hätte viel zu viel Angst, dass man sich in einem Pflegeheim nicht richtig um ihn kümmern würde. “

Meist sind die beiden allein miteinander. Sie redet. Er starrt vor sich hin. Sie ist immer in Rufweite. Nur ein Mal pro Woche hat sie drei Stunden frei: Jeden Mittwoch um kurz vor zehn liefert Ingeborg Kühtze ihren Mann, so wie an diesem Tag, in der Betreuungsgruppe für Demenzpatienten der Caritas im Dominikus-Krankenhaus ab. Zwei Ehrenamtliche und eine Altenpflegerin kümmern sich hier um ihn und die anderen Patienten. Gedächtnistraining, Gymnastik, Spiele und Ausflüge stehen auf dem Programm. Heute wird Advent gefeiert, mit Stollen, Torte und einer kleinen Bastelarbeit.

Wie meistens ist Manfred Kühtze als erster da. Die anderen aus der Gruppe werden nicht von Angehörigen gebracht, sondern vom Fahrdienst. „Da kommen sie“, ruft Betreuerin Martina Pollack, die am Fenster gewartet hat. Dann füllt sich der Raum mit älteren Menschen, die von den Betreuerinnen begrüßt werden. Genau der richtige Zeitpunkt für Ingeborg Kühtze, um sich wie jeden Mittwoch auf den Weg nach Tegel zu machen, um in der Markthalle bummeln zu gehen: „Jetzt habe ich auch mal frei.“

Und dann sitzen die zehn Tegeler und Reinickendorfer Patienten rund um den Tisch. Einige sind sehr dement, andere nur leicht – „eingeschränkte Alterskompetenz“ nennt man das. Martina Pollack bringt das Gespräch in Gang, fragt, wer früher selbst Stollen gebacken hat. Eine der Damen hat das tatsächlich getan. Die Männer schwärmen nostalgisch von den Stollen ihrer Mütter.

Auch Erwin Kunz beteiligt sich rege am Gespräch. Er ist erst 58, braucht aber schon einen Gehwagen und hat Mühe seinen Nachnamen zu buchstabieren. Neben ihm sitzt Thea Butz, mit 93 die älteste, aber auch die fitteste in der Runde: „Ich hab’ die Gemeinschaft und Geselligkeit hier gern.“ Und auch in Manfred Kühtze regt sich plötzlich ein Funken. „Kaffee?“, fragt er und hält seine Tasse einer der Ehrenamtlichen hin.

„Einige Teilnehmer leben trotz Demenz noch allein. Die Betreuungsgruppe bietet ihnen die Chance, mal rauszukommen“, sagt Brigitte Nentwig, Koordinatorin für die vier Betreuungsgruppen der Caritas in der „Region Nord“. Insgesamt organisiert der Träger neun solcher Gruppen in Berlin. „Auch für die Entlastung pflegender Angehöriger sind die Betreuungsgruppen sehr wichtig“, sagt Nentwig. Doch die Finanzierung der neun Gruppen bereitet Probleme: „Die Teilnehmer müssen auch einen kleinen Eigenbetrag zahlen, aber bis jetzt haben wir Essen, Fahrdienst und das Gehalt der hauptamtlichen Betreuerin hauptsächlich aus Eigenmitteln der Caritas finanziert.“

Aber all das sei in letzter Zeit teurer geworden, und die Caritas habe finanzielle Defizite: „Wir wollen nicht, dass die Teilnehmer einen höheren Eigenbeitrag zahlen müssen“, sagt Brigitte Nentwig. Der Tagesspiegel will deshalb mit der Spendenaktion helfen und die neun Gruppen unterstützen.

Marianne Ringel, ehrenamtliche Betreuerin der Gruppe in Hermsdorf, sagt: „Es ist jedes Mal ein Erfolgserlebnis, wenn die Teilnehmer fröhlich nach Hause gehen.“ Dann legt sie Manfred Kühtze noch ein Stück Stollen auf den Teller. Gleich holt ihn seine Frau wieder ab.

Insgesamt 53 Projekte und Initiativen unterstützt der Tagesspiegel 2012/13 - bei der Jubiläums-Spendenaktion „Menschen helfen!“. Unsere Leserinnen und Leser rufen wir auf, für diese als gemeinnützig anerkannten Vereine und Träger zu spenden, die besonders innovativ sind oder deren Arbeit durch Kürzungen gefährdet ist. Unser Konto: Spendenaktion Der Tagesspiegel e. V., Verwendungszweck: „Menschen helfen!“, Berliner Sparkasse (BLZ 100 500 00), Konto 250 030 942. Bitte notieren Sie Namen und Anschrift für den Spendenbeleg. Onlinebanking ist möglich.

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