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Ein Arbeiter entfernt hinter einem Bauzaun Graffitis von einem Bild auf der ehemaligen Berliner Mauer.

© AFP

Sperre vor der East Side Gallery: Berliner Mauer bekommt ein festes Geländer

Die East Side Gallery soll langfristig vor Vandalismus geschützt werden. Andere Mauerreste in der Stadt sind längst eingezäunt – oder vergessen.

Die East Side Gallery soll dauerhaft vor zudringlichen Besuchern geschützt werden. Der am Mittwoch errichtete Bauzaun ist nur ein Provisorium, das um den Jahreswechsel durch eine feste Barriere ersetzt werden soll. Wobei es sich eher um eine psychologische Sperre handeln wird: Ein etwa 80 Zentimeter hohes Geländer, zwei Armlängen von der Mauer entfernt. Als Alternativen wurden eine Plexiglaswand und Wachschutz erwogen, aber verworfen: Plexiglas wäre in kürzester Zeit ramponiert und beklebt, die Bewachung der 1,3 Kilometer langen Galerie hätte nach Auskunft von Bezirksamtssprecher Sascha Langenbach 300.000 Euro im Jahr gekostet und wäre angesichts der Geschichte der Mauer auch „psychologisch knifflig“.

Kultur- und Finanzstadträtin Jana Borkamp (Grüne) berichtet von 150.000 Euro für das Geländer, die sich zum Jahresende im Etat des Grünflächenamtes zusammenkratzen ließen, ohne andere Dinge zu streichen. Alle 20 bis 30 Meter solle auf das Denkmal aufmerksam gemacht werden – mehrsprachig und auffälliger als auf den aktuellen Schildern, die im Kleingedruckten ebenfalls behaupten, dass Beschädigung und Verunreinigung bestraft würden. Strafen sind nach Auskunft des Bezirksamts bisher reine Theorie, obwohl bei besonders schweren Beschädigungen auch schon Strafanzeigen erstattet worden seien.

Adalbert Maria Klees vom Grünflächenamt Friedrichshain-Kreuzberg erklärt die Schadensbeseitigung an der East Side Gallery.
Adalbert Maria Klees vom Grünflächenamt Friedrichshain-Kreuzberg erklärt die Schadensbeseitigung an der East Side Gallery.

© Stefan Jacobs

An der Mauergedenkstätte gibt es weniger Probleme

Adalbert Maria Klees, Technischer Leiter des Grünflächenamtes, berichtet von immer größerer Skrupellosigkeit mancher Besucher: Manche kämen mit einer Spraydosenbatterie, andere mit Ätzstiften, Messern oder kleinen Eisenstangen. Da helfe auch der bei der Sanierung 2009 aufgetragene Graffitischutz nicht. Bei der gerade begonnenen, von Land und Bund mit 230.000 Euro finanzierten Auffrischung der Ostseite seien die gereinigten Bilder oft schon am nächsten Tag mit Botschaften vom Kaliber „Sam was here“ oder Grüßen von Naddl und Onur beschmiert – in allen denkbaren Sprachen.

Mit den Denkmalbehörden ist sich das Bezirksamt einig über das Geländer, die Künstler würden noch gehört, heißt es. Kani Alavi von der Künstlerinitiative sieht sich und die Seinen sogar als Urheber der Idee. Sie gehöre zu einem vor Jahren erarbeiteten Sieben-Punkte-Plan, der auch die Verbreiterung des Gehwegs zulasten der parkenden Autos vorsehe. Die will der Bezirk nächstes Jahr angehen. Das Problem der East Side Gallery ist offenbar ein spezielles.

An der ebenfalls frei zugänglichen Mauergedenkstätte in der Bernauer Straße kommt Vandalismus nach Auskunft von Direktor Axel Klausmeier zwar ebenfalls vor, aber in sehr überschaubarem Ausmaß. Hier schüfen „die Inszenierung der Mauerreste und das Bildungsangebot“ ein stärkeres Bewusstsein für die Bedeutung des Ortes. Diese Würde fehle der East Side Gallery, deren Bedeutung als Denkmal sich weniger erschließe, weil es dort an Erklärungen zur Geschichte von Mauer und Ort sowie an klaren Zuständigkeiten fehle, stellt Klausmeier fest.

Am Potsdamer Platz lässt der Senat die Mauer verfallen

Unter Denkmalschutz stehen alle zusammenhängenden Mauerreste auf Berliner Gebiet. Allerdings musste auch der Abschnitt in der Niederkirchnerstraße schon vor Jahren eingezäunt werden, obwohl sich gegenüber das gut bewachte Bundesfinanzministerium befindet. Der zwischen Bundesrat und Umweltministerium gelegene Wachturm südlich des Leipziger Platzes wird auch ohne Schutz verschont: Die wenigen Schmierereien am Fuß seien viele Jahre alt, berichtet Markus Zimmermann, der den Turm seit 2012 für Besucher öffnet. Er vermutet, dass die beschränkten Fluchtwege durch die Sackgasse Erna-Berger-Straße und die Nähe diverser Überwachungskameras von Vorteil seien.

Ein Fall für sich sind die sechs einzelnen Mauersegmente auf dem Potsdamer Platz, die den ewigen NVA-Fotosoldaten als Kulisse und Tausenden Passanten als Kaugummideponie dienen. Nach Auskunft von Mittes Grünflächenamtsleiter Harald Büttner wurden sie 2006 vom Senat zur Fußball-WM aufgestellt und werden seitdem vom Bezirk als Sondernutzung des Straßenlandes geduldet – formal bis 2010, seitdem einfach so. „Wir fragen uns, was die Stadtentwicklungsverwaltung vorhat und warum sie sich nicht um ihr Eigentum kümmert.“ Anfragen beantworte der Senat schon seit 2012 nicht mehr, sagt Büttner. Auf Anfrage des Tagesspiegels teilt die Stadtentwicklungsverwaltung mit, dass die Mauerteile dauerhaft auf dem Potsdamer Platz stehen bleiben sollen. Die Entfernung der Kaugummis sei allerdings sehr schwierig.

Den Versuch der Friedrichshain-Kreuzberger Kollegen mit dem Geländer hält Grünflächenamtsleiter Büttner für vergeblich. Er hätte zur Plexiglas-Variante geraten – mit mehreren aufgeklebten Folienschichten, deren obere man dann jeweils abziehen könne, wenn sie ruiniert sei.

Das wäre an der East Side Gallery dann allerdings fast täglich der Fall.

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