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Berlin: Spiel ohne Rüstung

Wer Rugby spielt, muss gegen ein weit verbreitetes Vorurteil ankämpfen: Der Sport ist brutal, heißt es – dafür hat er sehr klare Regeln

Von Jörg Petrasch

Berlin. Wenn Colin Grzanna von seinem Hobby erzählt, kommt es meistens zu folgendem Dialog: Rugby? Ach, der brutale Sport mit der Rüstung. Nein, das sei American Football, erwidert Grzanna dann, Rugby ist das Spiel ohne Rüstung. „Und dann kommt meistens: Ach so, das noch brutalere Spiel“, sagt Grzanna etwas verärgert. Spätestens hier gibt der 23-Jährige im Gespräch dann auf. „Es ist schwer zu erklären, aber Rugby ist nicht brutal, es hat klare Regeln.“ Grzanna muss es wissen, denn der Medizinstudent spielt mit dem Berliner RC in der 1. Bundesliga – Rugby spielt er seinem sechsten Lebensjahr.

Immerhin gibt der Verteidiger zu, dass Rugby „beim ersten Mal zuschauen etwas komisch aussieht“. Das ist nicht ganz falsch. Wenn die jeweils 15 Spieler eines Teams um den etwas über 400 Gramm schweren eiförmigen Lederball kämpfen, fühlt man sich an eine Rangelei auf dem Schulhof erinnert. Aber das macht auch einen Teil des Reizes aus. „Es hört sich vielleicht blöd an“, sagt Grzanna, „aber es macht Spaß, sich zu raufen.“ Das bestätigt auch sein Trainer Robert Hoffmann. „Colin hat es am liebsten, wenn er zwei Spieler im Kreuz hat.“

Brutal ist Rugby aber tatsächlich nicht. Die Spieler dürfen weder den Kopf noch den Hals des Gegners berühren. Wird der ballführende Spieler von einem Gegner gefasst, das heißt gehalten oder niedergedrückt, muss er den Ball sofort loslassen. Im Gegensatz zum American Football darf nur der Ballträger angegriffen werden. „Die Spieler haben auch keine Angst vor Verletzungen, sie kennen die Situation“, sagt Hoffmann. Den Gegner vom Ball zu trennen wird zweimal pro Woche zwei Stunden geübt – Angriffszüge natürlich auch. Dabei wird allerdings nur vereinzelt mit vollem Einsatz gegeneinander trainiert. „Sonst wären sie im Spiel noch platt“, sagt Hoffmann.

Neben der notwendigen Aggressivität muss man auch einen kühlen Kopf bewahren können. Denn im Rugby gibt es keinen klassischen Spielmacher, wie den Quarterback im American Football, „jeder Spieler muss auf jeder Position spielen können, es gibt keinen Alleinunterhalter“, sagt Hoffmann. Dafür müsse man mitdenken können. Und vor allem schnell sein. Denn der Ball darf nur nach hinter abgegeben oder mit dem Fuß nach vorne gekickt werden. Legt ein Spieler im gegnerischen Malfeld an der Stirnseite des Spielfeldes den Ball ab, erzielt er einen Versuch, der fünf Punkte zählt.

Im Gegensatz zum American Football ist beim Rugby auch der Spielfluss viel länger. Kein Stop-and-go, sagt Grzanna. Oft wird ohne Unterbrechung zwei bis drei Minuten durchgespielt. Regelrecht schön findet Trainer Hoffmann das Spiel sogar, wenn die „Ballstafetten, die wir im Training geübt haben, klappen“. Schön ist auch, dass es beim Rugby kein Idealmaß gibt. Ob man kurze Beine und damit einen niedrigen Körperschwerpunkt hat, oder groß ist, beim Rugby ist jeder zu gebrauchen. Hoffmann: „Wenn ich 15 Leute von der Straße hole, kann ich aus ihnen eine Mannschaft machen.“

Jörg Petrasch

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