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Berlin: Spiel, Satz, Geld

Von Tanja Buntrock Wenn in Berlin Ladies-German-Open-Zeit ist, darf der Frauensenator nicht fehlen. Und weil Tennis spielen auch immer etwas mit Wirtschaft zu tun hat - nämlich mit meist finanzkräftigen Besuchern - ist dieses Berliner Turnier natürlich auch etwas für den Wirtschaftssenator.

Von Tanja Buntrock

Wenn in Berlin Ladies-German-Open-Zeit ist, darf der Frauensenator nicht fehlen. Und weil Tennis spielen auch immer etwas mit Wirtschaft zu tun hat - nämlich mit meist finanzkräftigen Besuchern - ist dieses Berliner Turnier natürlich auch etwas für den Wirtschaftssenator. Wie schön, dass Gregor Gysi beide Ämter ausübt. So schlägt er gewisserweise zwei Fliegen mit einer Klappe als er am Dienstagabend zur traditionellen „Player’s Night“ ins Hotel Intercontinental kommt. „Ich freue mich über die Leute, die hier Tennis schauen und einiges Geld in der Stadt lassen“, sagt er. Überhaupt sei Frauen-Tennis mindestens so spannend wie Herren-Tennis: „Wenigstens hier hat es mit der Gleichberechtigung geklappt“, findet Gysi.

Finden wohl auch die Sponsoren, denn die haben diesen Abend, an dem „Showleute, Medienleute, Sportler und Politiker“ zusammentreffen, schlaraffenlandähnlich gestaltet. Die Flaneure stolpern fast von einemStand zum nächsten: Eis, Cola, Combucha, Cappuccino, Pralinen, Cocktails, Sushi, Salatbar, süßes Büfett, deftiges Büfett... Nur die Tennisspielerinnen sitzen abgetrennt im Restaurant und bewegen sich dort auch nur ungern weg. Verständlich, wenn wie bei Jennifer Capriati, die mit ihrem Vater speist, alle paar Minuten ein Fernsehteam vorbeigedrängelt kommt, um zu filmen, wie sie sich Ruccola-Salatblätter in den Mund schiebt.

Ist schon wieder Sonntagabend?, mag man sich für eine Sekunde fragen, wenn ein paar Meter entfernt von der Verpflegungsstation für die Tennisspielerinnen Sabine Christiansen zwischen Guido Westerwelle und Gregor Gysi talkt. Aber nein, diesmal gibt’s ja Sekt statt stillem Wasser zu trinken–also doch ganz privat.

Während Geschichtsprofessor Arnulf Baring darauf wartet, still und halb heimlich in seinen 70. Geburtstag zu feiern, vertreiben sich Halbprominente die Zeit damit nicht wie Halbprominente zu wirken. Am Ende kommt dann noch ein weit mehr als nur Halbprominenter vorbei: Udo Lindenberg hat zwar nicht viel mit Tennis am Hut, aber vielleicht wollte er mit seiner Doppelgänger-Entourage einfach mal wieder ein anderes Hotel als das Maritim pro Arte besuchen, wo er demnächst eine eigene Suite beziehen wird. Mehrmals am Abend zieht Designer Harald Glööckler seine Kreise und stellt im Wechsel diversen Fernseh- und Fotokameras seine langen, rosafarbenen Fingernägel zur Schau. Warmbewegen könnte man das nennen, denn am nächsten Tag geht’s weiter mit der Fingerakrobatik. Da ist nämlich Ladies Day.

An diesem Frauentag, den Mercedes-Benz zusammen mit dem Deutschen Tennis Bund (DTB) zum sechsten Mal ausrichtet, ist Harald Glööckler neben dem Chef der Mercedes-Benz Niederlassung Berlin, Walter Müller, als einziger Mann im VIP-Zelt des Autoherstellers zugelassen. Dass wieder Ladies Day ist, erkennen die Tennisspiel-Besucher an den auffallend vielen Damenhüten, deren Trägerinnen unter der sengenden Sonne schon vormittags ins VIP-Zelt schreiten. Bei den „Damen der Entscheidungsträger“, wie Müller sie nennt, dominieren pastell- oder beigefarbene Kleider und Hosenröcke - schließlich ist am Mittwoch plötzlich der Früh-Sommer in Berlin ausgebrochen. Beim Sekt lassen sich Anne Momper, Monika Diepgen, Janine White, Mania Feilcke, Friede Springer, Susanne Juhnke, Ulla Klingbeil und Ehefrauen von Diplomaten und Vorstandsvorsitzenden die Sonne auf den Pelz, beziehungsweise Hut scheinen.

Eigentlich warten alle auf die Schirmherrin, die Frau des Bundeskanzlers, Doris Schröder-Köpf. Die ist nämlich wieder einmal für einen guten Zweck unterwegs, „schließlich wollen wir an einem solchen Tag auch an diejenigen denken, denen es nicht so gut geht“, sagt Müller. Am späteren Nachmittag, kurz vor Ende des Matches von Martina Müller gegen Justine Hédine, kündigt der Centre-Court-Sprecher die Kanzlerfrau dann übers Mikrofon an. Das goutiert das Publikum gar nicht: Es buht und pfeift. „Wir bedauern die Störung sehr“, entschuldigt sich Walter Müller bei der Scheck-Übergabe. Daraufhin sind die Zuschauer wieder besser gestimmt. 50 000 Euro ist der Scheck wert, den Müller an Doris Schröder-Köpf überreicht. Sie fließen in das Sozialprojekt „Nummer gegen Kummer“, ein anonymes Kinder- und Jugendtelefon. Die Summe stammt aus dem Erlös von 2300 Eintrittskarten und weiteren Spenden.

Hinterher wird die Kanzlerfrau wieder zum VIP-Zelt begleitet, wo die Damen bereits bei Erdbeertorte mit Schlagsahne warten. „Sechs Millionen Anruf-Versuche hätte es bis jetzt gegeben“, erzählt Frau Schröder-Köpf. Nach dem Amoklauf in Erfurt sind die Anrufe zwar nicht entschieden gestiegen, „aber viele der Kinder wollen darüber reden“. Sie teilten ihre Ängste mit, beschrieben aber auch das Klima an ihren Schulen. „In einigen Klassen ist der Zusammenhalt gewachsen“, hat die Kanzlerfrau erfahren.

Dann ertönt Howard Carpendale’s „Hello Again“ aus den Lautsprechern, die Frauen fangen an zu reden. Ein Frauenkaffeeklatsch ist eben doch fast überall gleich - irgendwie.

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