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Spielplätze: Mehr Platz zum Toben

Das neue "Bündnis für das Recht auf Spiel" kämpft dafür, dass bei öffentlichen Bauvorhaben stärker an die Kinder gedacht wird. Öffentliche Räume, in denen Kinder ausgelassen spielen können, werden immer kleiner.

Von Sandra Dassler

Kinderlärm ist Zukunftsmusik? „Schön wär’s, wenn alle das so empfinden würden“, sagt Heiko Wichert. Doch der Projektleiter vom Platzmanagement Alexanderplatz hat schon oft andere Erfahrungen gemacht – auch, als er noch als Straßensozialarbeiter in Mitte und Köpenick unterwegs war. „Die Toleranz gegenüber Kindergeräuschen – ich rede ungern von Kinderlärm – ist in den vergangenen Jahren an vielen Orten in der Stadt dramatisch gesunken“, sagt er.

Auch deshalb war Heiko Wichert am gestrigen Freitag dabei, als sich im Roten Rathaus das Nationale Bündnis für das Recht auf Spiel gründete. Der Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes, Thomas Krüger, hatte vor rund hundert Pädagogen, Landschaftsarchitekten, Stadtplanern, Spielplatzdesignern und Verwaltungsmitarbeitern aus ganz Deutschland die Notwendigkeit eines solchen Netzwerkes unter anderem damit begründet, dass die öffentlichen Räume, in denen Kinder spielen können, immer kleiner werden.

In Berlin gebe es dafür viele Beispiele, sagt Heiko Wichert. Vor allem in der Innenstadt seien in den vergangenen Jahren viele Baulücken geschlossen worden, in denen Kinder oder Jugendliche ungestört toben konnten. Ersatz für den verschwundenen Spielraum gebe es kaum. „Schauen Sie sich nur die Situation in Prenzlauer Berg an. Dort sind die Spielplätze hoffnungslos überfüllt. Und da es auch an Jugendeinrichtungen fehlt – jetzt sollen dort sogar alle Klubs in freier Trägerschaft geschlossen werden – müssen sich die Kinder ihre Plätze oft mit Teenagern teilen, was zu zusätzlichen Konflikten führt.“

Von der Politik wahrgenommen werden solche Konflikte freilich meist nur, wenn sie sich auf kriminellem Niveau bewegen, wie die Belästigung durch Drogendealer in der Hasenheide oder im Weinbergspark in Mitte. Doch wenn sich engagierte Eltern und Anwohner zusammentun, um dafür zu kämpfen, dass ihre Kinder in Ruhe spielen können, ist es eigentlich schon zu spät. Deshalb fordern die Mitglieder des neu gegründeten Bündnisses für das Recht auf Spiel auch, dass die Planung von öffentlichen Spielräumen eine Selbstverständlichkeit bei allen Bauvorhaben sein müsse.

Leider sei in Berlin bislang viel zu oft das Gegenteil der Fall, sagt Wichert. Und nennt als Beispiel die Planung für den Potsdamer Platz. Dass es dort keine Stufen oder Bänke gibt, auf denen man sitzen kann, sei schon im Vorfeld unverhohlen damit begründet worden, dass man dort keine „Randgruppen wie Obdachlose, Sport treibende junge Menschen oder kleinere und größere Gruppen Jugendlicher“ haben wolle.

Für den Alexanderplatz hingegen gibt es bereits seit zehn Jahren einen Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Mitte, Kindern und Jugendlichen öffentlichen Raum zur Verfügung zu stellen. Das hat zu Sitzgelegenheiten, einem Beachvolleyballfeld und zwei Basketballkörben am Neptunbrunnen geführt, sagt Wichert. Und zu festen Ansprechpartnern, was längst nicht überall der Fall ist. Und das, obwohl das Abgeordnetenhaus schon vor fast zehn Jahren Leitlinien für eine kinder- und jugendfreundliche Stadt beschlossen und diesen Beschluss 2006 nochmals bekräftigt hat.

„Leider fühlt sich niemand für diese Leitlinien verantwortlich“, sagt Wichert: „Eigentlich müssten sich die Senatsverwaltungen für Stadtentwickung und Jugend gemeinsam darum kümmern.“

Aber es gibt auch Positives. Wie berichtet hat die BVV Pankow am vergangenen Mittwoch über eine sogenannte Spielleitplanung als Pendant zur Bauleitplanung beraten: Kinder und Jugendliche sollen künftig an der Planung von Spielplätzen, Ampeln oder Schulhöfen beteiligt werden. Der Vorschlag wurde zustimmend aufgenommen und soll gemeinsam mit der TU Berlin getestet werden.

Das neue Bündnis für das Recht auf Spiel hat sich auch zum Ziel gesetzt, die Akzeptanz von Kindern in der Gesellschaft zu erhöhen. „In der Stadt werden Kitas geschlossen oder erst gar nicht genehmigt, weil sich vor allem ältere Menschen durch Kindergeräusche gestört fühlen“, sagt Heiko Wichert. Leider bekämen die Kläger oft recht, weil Behörden und Richter schlicht nach den Grenzwerten des Immissionsschutzgesetzes vorgingen. Das müsse durch entsprechende Lobbyarbeit geändert werden, sagt Wichert: „Man kann doch ein Kinderlachen nicht mit Industrielärm vergleichen, oder?“

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